Tsum Valley: eine (doppelte) Segnung und ganz viel Om Mani Peme Hum

November 2022, Patricia Zenger

Wir sind unterwegs im Tsum Valley, einem herrlich schönen Tal im Norden Nepals. Frauen tragen schwer beladene Körbe auf dem Rücken. Gefüllt mit dicken Holzscheiten, die sie dem wenigen Wald in dieser Höhe abtrotzen. Viel Arbeit, um nur schon eine warme Mahlzeit zuzubereiten. Zum Heizen des Esssaals für uns verwöhnte Touristen reicht das Holz nicht. So sitzen wir bei fünf Grad dick eingemummt im Raum. Anders als die Dorfbewohner gehen wir nach einigen Wochen «Entbehrungen» wieder zurück in unsere geheizten Wohnungen, während den Talbewohnern ein harter Winter naht.

Zweimal am Tag essen die Nepali ein Dal Bhat. Ihre Nationalspeise. Linsen mit Reis, Pickles, Gemüse. Immer frisch à la Minute und immer unterschiedlich, je nach Hausrezept und je nach saisonalem Angebot ihres kleinen Gemüsegartens zubereitet. Mit Sicherheit biologisch. Und immer vegetarisch. Denn seit 100 Jahren darf im tief buddhistischen Tsum Valley kein Tier geschlachtet werden. So treffen wir auf viele glückliche Yaks und Hühner. Und ebenso glückliche Vegi-Hunde, die täglich die Reste des Dal Bhat vorgesetzt bekommen.

Auf unserer fünfstündigen Wanderung von Lokpa nach Chumling werden wir von einer Festgemeinschaft und einem wacker wandernden 4-Jährigen mit kurzen Beinen locker überholt. Die Frauen tragen wie immer ihre klassische tibetische Kleidung. Ein schwarzes Filzkleid, darüber eine gestreifte Schürze und heute eine extra festliche Bluse, ein Metallgurt mit einem angehängten Silberlöffel dazu ein farbiges Kopftuch. Die Männer sind heute ausnahmsweise nicht westlich sondern ebenso traditionell gekleidet, mit einem knielangen roten oder schwarzen Filzmantel, einen Arm in den Mantel gesteckt, ein Gurt um die Hüften. Die Stimmung in der Wandergruppe ist fröhlich und wie immer in Nepal schwatzt Jeder mit Jedem (auch mit Wandertouristen, die ein paar Wörter und Sätze auf Nepali radebrechen) der da des Weges kommt. Immer gibts was zu erzählen. Neuigkeiten und Infos sind zu teilen. Vieles läuft hier analog statt digital.

Wir schauen gespannt den drei jungen Frauen zu, die kurz vor Chumling noch die letzten Vorbereitungen treffen. Die Schürze wird richtig festgebunden, die farbigen Stoffzottel am Ende des hüftlangen Haarzopf gerichtet, die reich verzierten Ohrringe werden angezogen. Hunderte Talbewohner aus den umliegenden Dörfer treffen sich zur fünftägigen Zeremonie in Chumling. Ein hoher Rinpoche (ein wiedergeborener Lama/Priester) nimmt heute die Segnung vor dem Kloster vor. Wir treffen rund dreihundert still auf dem Boden sitzende Gläubige, Frauen, Männer, Kinder, Familien, Jugendliche, Alte. Es wird gemeinsam gebetet, Schals und Geschenke werden dem Rinpoche übergeben. Er und die Mönche gehen durch die Reihen und halten einen Kelch an jeden einzelnen Kopf, sprechen dabei einen Segen. Dazu gibts ein Stück der süssen Opfergaben und Glückssymbole in Form einer rote Schnur mit einem Mantra im Knoten und einer Halskette mit Anhänger. Dawa unser Guide ist aufgeregt. Die Segnung durch einen so wichtigen Rinpoche bedeutet ihm viel. Der Rinpoche mit seinem Kelch nähert sich unserer hintersten (Touristen-)Reihe, nickt und auch wir beugen alle den Kopf. «Oh no… I forgot to take off my cap!» sagt ein verzweifelter Dawa nach der Segnung. So mischen sich Dominik und Dawa unter die kichernden Jugendlichen, die sich ein zweites oder drittes Mal verstohlen in die Schlange vor dem jetzt wieder auf seinem Thron sitzenden Rinpoche einreihen. Wegen der Segnung. Oder der süssen Opfergabe, die sie wiederum kriegen? Dawa lacht befreit und gesegnet. Die Gesellschaft löst sich langsam auf. Der Rinpoche beendet in aller Ruhe seine Rituale. Auch wenn längst niemand mehr zuschaut und sich alle bereit machen für den Tanz, fürs Singen. Am Ende des Tals leuchtet das Alpenglühen am schneebedeckten Sringi-Peak.

Vier Stunden und viele strenge Höhenmeter bringen uns zur Lungdang Gompa, einem Nonnenkloster auf 3200 Meter. Hier ist es windig und kalt, abends beginnt es zu schneien. Trotzdem, vier Nonnen leben hier ganzjährig, während dem heiss-nassen Monsun und dem kalten Winter. Oft ist der Fussweg zu gefährlich oder wegen Erdrutschen unterbrochen um ins Dorf zu gelangen. Seit 15 Jahren wohnt die eine Nonne schon hier, einiges länger – ihr Leben lang? – die einzige Nachbarin. Ein altes Fraueli mit unzähligen Falten im Gesicht und einem herrlichen Lachen. Frühmorgens schon ist sie im Kloster anzutreffen, die Gebetskette zwischen den Fingern drehend und das buddhistische Mantra «Om Mani Peme Hum» murmelnd. Mit Gehstock und hinkend, umrundet sie die grosse Gebetsmühle im Kloster. Eine Runde, zwei, drei, vier… wir hören auf zu zählen.

Nachmittags treffen wir das Fraueli vor ihrer Hütte, tief über ein Holzscheit gebückt, beim Holzhacken. Dominik geht hoch und fängt an Holz mit der stumpfen Axt zu spalten. Das Müetterli setzt sich an die Hauswand, deutet auf die Beige mit den knorzigen Holzträmeln, lacht und murmelt ihr stetiges «Om Mani Peme Hum». Ich setze mich neben sie auf den kalten mit Stroh gefüllten Reissack und ziehe an der speckigen Kurbel um ihre kleine Gebetsmühle zu drehen. Sie lacht und murmelt weiter und weiter. Om Mani Peme Hum. Dazwischen ein Gähnen, das gleich wieder ins Om übergeht.

Tsum Valley bedeutet enges Tal. Es ist aber auch ein steiles Tal. Wenig verwunderlich, dass links und rechts des Weges massive Erdrutsche sichtbar sind und das Tal bis vor kurzem wegen des ausserordentlich langen und starken Monsuns erneut von der Aussenwelt abgeschnitten war. So führt uns der Wanderweg immer wieder über beeindruckende Erdrutsche und unzählige Hängebrücken. Mit der Zeit überschreite ich die teils sehr langen und hohen Brücken schon etwas lockerer. Immer murmelnd: «Om mani peme hum. Om mani peme hum».

Langtang: Das Tal der traurigen Geschichten und schönen Begegnungen.

28.10.2022, Patricia Zenger

«Namaste Switzerland», ruft es aus der dunklen Küche des Woodland-Guesthouses. Das wohl schönste Lachen im Langtang Valley und das strahlende Gesicht von Chukhi treten durch die niedrige Türe ins Freie. Nach einem kurzen Schwatz und einem Nepali Tea mit unserer Busbekanntschaft ziehen wir weiter. Unser Trekking Ziel ist Kyanjin Gompa, das hinterste Dorf im Tal auf knapp 4000m.

So schön die Aussicht auf die 7000er des Himalayas, so abwechslungsreich die Wanderung vom Dschungelwald durchs Buschland rauf zu den kargen Wiesen und grasenden Yaks ist, so traurig sind die Geschichten der Talbewohner. In jeder Lodge erzählen uns Väter, Mütter, Kinder vom Verlust ihrer Liebsten bei der 2015 durch das verheerende Erdbeben ausgelösten Lawine aus Eis und Geröll, die das gesamte Dorf Langtang wegfegte und unter sich begrub. Ungefragt erzählen uns die Überlebenden ihre herzergreifenden Geschichten. Zumeist starben alte Männer und Frauen, die zur Zeit des Erdbebens auf den Feldern oder in den Häusern arbeiteten. Viele Väter und Mütter überlebten, weil sie an diesem letzten Feiertag ihre Kinder zum Bus brachten in Richtung Schule in Kathmandu. Die Lawine kam am 25. April 2015 um 11.56 Uhr. 310 Menschen, Einheimische und Touristen starben. Mit den älteren einheimischen Toten starb auch der grösste Teil des Wissens über den Buchweizenanbau, die Müllerei, die Schafzucht, das Schreinerhandwerk und die Weberei. Die jungen Einheimischen setzen vorwiegend auf den Tourismus, da die Grosseltern zum Bewirtschaften der Felder fehlen. Es ist ein bedrückendes Gefühl, die vielen Meter hohen Geröllmassen mit dem Wissen, dass darunter ein ganzes Dorf begraben liegt, zu überqueren.

So allgegenwärtig die Schicksale sind, so fest freuen sich die Einheimischen und wir uns über die gemeinsamen Begegnungen. Der Newar mit traditioneller Mütze und Dolch, der auf seinem Weg halt macht und uns die richtige Umrundung der Manimauer erklärt. Die Köchin im Guesthouse, die uns täglich Geschichten auf Nepali erzählt. Unser selbstbewusstes «Tapaiko naam ke ho?» – Wie heisst Du? – scheint sie von unseren Sprachkünsten zu überzeugen. Zum Frühstück gibts Tibetan Bread, Nescafé und eine Nase voll Weihrauch. Die Köchin dreht ihre morgendliche Runde mit einem Topf rauchender Tujazweige. Vom Altar zum Dining Room, weiter in die Küche und zurück zum Buddha. Dabei murmelt sie in leisem Singsang ihr Mantra. Dort der Mann, der morgens singend im Hauseingang sitzend sein Ritual ausführt. Vor ihm eine Schale voll Flüssigkeit. Er füllt den Löffel, leert ihn zurück in den Topf. Füllt ihn. Leert ihn. Füllt ihn. Leert ihn. In völliger Ruhe und Konzentration. Winkt uns mit einer kurzen Handbewegung freudig zu sich herein. Füllt ihn. Leert ihn. Singt dazu sein Mantra. Die Melodie begleitet uns den Rest des Tages.

Hakuna Matata am Kilimanjaro

Wir werden oft gefragt, wäre der Kilimanjaro auch etwas für mich? Und dies von Menschen ganz unterschiedlichen Alters, mit unterschiedlichen Fitnesslevels, Männer und Frauen. Und ich nicke dann immer, und sage ja klar, Weil, erstens ist der Weg das Ziel (Konfuzius wahrscheinlich) und zweitens haben wir einen Plan, der den Gipfelerfolg für die meisten Gäste möglich macht (Aktivferien, ganz sicher). Es ist das zwölfte Mal, dass ich diese Reise mit Gästen machen darf. Hier deshalb die 12 Etappen, quasi Schritt für Schritt, wie Sie sich vorbereiten können und was wir unterwegs unternehmen, um am Ende gemeinsam auf dem Uhuru Peak, dem Gipfel der Freiheit, auf 5895 Metern, auf dem Dach von Afrika zu stehen.

Hakuna Matata am Kilimanjaro

Kibo und die kleine Raupe

Wie der Kilimanjaro seine Besteigung erlebt. Februar 2022.
Von Dominik Abt

Jambo, Jambo. Ich heisse Kibo. Mein Name stammt aus der Chaggasprache und bedeutet «der Helle». Nun ja, seit ein paar Jahren bin ich zwar nicht mehr immer hell, also schneebedeckt, nicht das Sie jetzt was Falsches denken! Immer öfters bin ich braun, der Schnee wird auch hier, 340 Kilometer südlich des Äquators, weniger und meine Eisfelder schmelzen. Also Kibo, nicht etwa Kili, wie ich oft zu hören bekomme.
AF Kibo und die kleine Raupe

Südtansania Naturreise

Reisetagebuch November 2021
«Karibu», Willkommen, begrüsst uns Erich, einer unsere Fahrer am Flughafen in Daressalam. Die Reise war einfach und auch das Prozedere bei der Einreise läuft wie am Schnürchen. Daressalam, «Das Haus des Friedens» begrüsst uns mit einer wohltuenden Wärme. Einige Teilnehmer nennen es heiss. Ein erstes kühles Kilimanjaro-Bier trinken wir abends in der Las Vegas Bar. Nomen est omen, es ist ein Casino und die rot leuchtende Zahl des Super Jackpots steht bei 57‘582‘961. Falls Sie jetzt überlegen, genau, in Tansania Shilling. Hier das ganze Reisetagebuch:
Reisetagebuch Aktivferien Südtansania Naturreise Dominik Abt

Tagebuch: Unterwegs auf der Naturreise

Sonntag, 8. November
Es sind die lachenden Gesichter. Juma (Campmanager) lacht. Frederic (Fahrer) lacht. Sogar der grosse Abdulah (Handlingmanager) grinst. Violet und Nuru (Service) lachen. Und Zawadi. «Weisst Du was mein Name bedeutet, fragt sie mich. «Nein, das weiss ich nicht.» Zawadi lacht und sagt: «Zawidi ist das Swahiliwort für Geschenk. Ich bin ein Geschenk des Himmels!» «Und ihr seid es auch!» strahlt sie uns an. Alle lachen und freuen sich uns zu sehen. Ich habe diese vielen herzlichen Lachen vermisst.

Und noch etwas hatte ich vermisst. Das Ankommen beim Reisen. Und Zeit zu haben. Auf der Terrasse des Hotels zu sitzen. Ein kühles Kilimanjarobier trinken, dem niederprasselnden Regen zu lauschen und den Regentropfen beim Zerplatzen auf den Bananenblättern zuzuschauen. Oder wie Claudia sagt: «Dort. Schau. Ein Gecko an der Wand. Jetzt bin ich so richtig in den Ferien angekommen.» «Karibuni Aktivferien,» begrüsste uns Naomi, die Hotelmanagerin, vor dem Znacht im Hotel in Marangu. «Herzlich willkommen Aktivferien.» Wir freuen uns. Wir lachen. Wir sind angekommen.

Jambo Jambo. Auf dem Dorfspaziergang und Markt in Marangu.
Montag, 9. November.
Am Morgen scheint die Sonne. Nach dem Morgenessen treffen wir uns mit unseren Bergführern zum Dorfspaziergang. Für ehemalige Aktivferien-Tanzania-Besucher folgt jetzt ein bisschen Namedropping: Mister Evarest, Goodluck, Remy, Alfred, Bryson und Livingstone stehen – ja natürlich lachend – im Garten und warten auf uns. Wir begrüssen uns mit den Ellenbogen und die strahlenden Gesichter ersetzten unsere Umarmungen. Auf dem Spaziergang durchs Dorf erfahren wir allerhand Interessantes über das Leben und die Traditionen der Chagas, so nennt sich der Stamm, nennen sich die Menschen, die hier am Fusse des Kilimanjaro leben. Zum Bespiel, dass es Essbananen, Kochbananen, Bierbananen und moderne Bananen gibt. Letztere eignet sich sowohl zum Essen, Kochen wie auch zum Bierbrauen. Oder wie das Land an die Söhne vererbt wird. Seit einigen Jahren erben auch die Töchter! Und das Frauen (oder Männer) sich verlieben dürfen in wen so wollen und nicht von den Eltern verheiratet werden. Suzanne fragt sicherheitshalber nach: «Wirklich ganz frei?» Bryson bekräftigt: «Ganz frei, sie können sich auf dem Land, in der Stadt, auf der ganzen Welt in wen sie wollen verlieben!» Die älteren Führer und Familienväter stehen im Hintergrund, lachen und nicken zustimmend. Auf dem Kilimanjaro-Farmhaus führt uns Evarest stolz durch den Bio-Gemüsegarten. Und tatsächlich: es wachsen zur Zeit viele verschiedene Gemüsearten für die Kilimanjarogäste in den kommenden Wochen.

Am Nachmittag besuchen wir den Dorfmarkt. Hier verkaufen die Frauen, die uns am Morgen mit Bananenstauden auf dem Kopf begegnet sind, ihre Bananen. Wir ziehen die Köpfe ein und marschieren zwischen den Ständen und unter den niedrigen Blechdächern durch. Ein freundliches «Jambo, Jambo» zaubert immer wieder ein Lächeln auf die ernsten und doch neugierigen Gesichter der Marktfrauen. Als die ersten Regentropfen fallen verziehen wir uns in die Bar. Und dann geht ein sintflutartiger Regenschauer auf das Wellblechdach über uns und den Markt nieder. Es bleibt uns nichts anderes übrig als mit unseren Begleitern bei einer zweiten Runde Cola und Bier auszuharren. «Also für mich stimmt’s, meint Rüedu: «ich bin in den Ferien!» So plötzlich wie der Schauer angefangen hat hört er wieder auf. Wir marschieren zurück ins Hotel. Und nachdem wir jetzt alles über Bananen wissen, servieren uns Nuru und Zamadi beim Nachtessen eine Bananensuppe als Vorspeise. Nach dem Znacht feiern wir Elisabeth‘s Geburtstag. Die Hotelangestellten tanzen und singen und servieren uns … ganz genau(!) einen Geburtstags-Bananenkuchen. Happy Birthday, Elisabeth!

Wenn der Regenwald seinem Namen Ehre macht.
Dienstag, 10. November
Der Regen prasselt sintflutartig bis morgens um vier Uhr auf die Dächer nieder. Ich stehe mit Naomi vor dem Frühstück auf der Terrasse und gemeinsam schauen wir hoch in die Wolken. «Und, wie wird das Wetter heute», frage ich. Sie zuckt mit den Schultern und lacht: „«Hakuna matata! Kein Problem!»

Wir treffen uns mit den Guides beim Gate zum Kilimanjaro . Um 9 Uhr marschieren wir los. Es ist warm im Regenwald. Und nass. Die Bäume, Farne, Moose und Blumen glänzen in kräftigen, leuchtenden Farben. Es tropft von den Blättern. «Mann, das viele Grün hier ist der Wahnsinn,» sagt Andre. Dunkelgrün. Hellgrün. Mattgrün. Tiefgrün. Nassgrün. Baumgrün. Farngrün. Moosgrün. Glanzgrün. Undundundgrün. Wenn André Recht hat, hat er recht. Nach dem Picknick fängt es an zu regnen. Wir ziehen die Regensachen über und spannen die Schirme auf. «Jetzt sind wir aber echt im Regen-Wald», stellt Elisabeth fest und lacht: «Aber auf jeden Fall besser, als zuhause im Büro oder Homeoffice zu sitzen!»

Als wir bei den Mandarahütten auf 2720 Meter ankommen marschieren zwei Blue Monkeys vor uns über die Wiese. Wir zücken die Kameras und freuen uns. Die Safari hat begonnen. Nach dem warmen Mittagessen gehen wir die Bimbis, die Baumschliffer, hinter den Hütten suchen. Drei der putzigen Tiere sitzen zusammen in einer Baumhöhle und äugen neugierig zu uns hinüber.

Auf dem Rückweg zum Gate scheint die Sonne durch das Blätterdach. Sie begleitet uns bis zurück zum Gate. Martin findet es unfair, so ein bisschen für den Kilimanjaro angefixt zu werden und dann wieder hauruck runter zu müssen. «Aber so hat man ja auch noch mögliche Ziele für die nächsten Jahre», findet er. Der Schuhputzer strahlt übers ganze Gesicht nachdem er 12 Paar Wanderschuhe blitzblank putzen durfte und die Dollarnoten in der Hand hält.

Auf der Fahrt hinunter zum Hotel blinzelt der Kilimanjaro kurz zwischen den Wolken hervor. Sein Schultern sind weit hinunter mit Schnee bedeckt. Wir trinken mit unseren Bergführern ein Bier zum Abschied und singen nochmals den Kilimanjarosong zusammen. Beim verabschieden frage ich Goodluck, was ich über den heutigen Tag schreiben soll. Er schaut mich mit lachenden Augen an und sagt: «Hakuna matata. Schreib, das wir gutes Wetter hatten!»

Als wir nach dem Nachtessen noch einen lokalen Kognaky trinken, ruft Martin zu mir herüber. «Schreib, 22.35 Uhr, draussen schiffts!»

Das Leben entlang der Strasse in Tansania und ein erstes Highlight.
Mittwoch, 11. November
Der Koch muss noch schnell den Kragen seines Faserpelzes zurechtrücken. Dann schliessen Naomi, Zawadi, Nuru, Violet und der Koch Adibadi die Augen und fangen an zu singen:

Malaika, nakupenda Malaika
Malaika, nakupenda Malaika
Ningekuoa mali we, ningekuoa dada
Nashindwa na mali sina we…

Mein Engel, ich liebe meinen Engel.
Mein Engel, ich liebe meinen Engel.
Ich würde dich heiraten, wenn ich nur reich genug wär.
Ich kann es nicht ohne Geld, doch ich würde dich heiraten.
Ich kann es nicht ohne Geld, doch ich würde dich heiraten …

Violet patzt bei der dritten Strophe und bekommt einen strafenden Blick von Naomi. Die Angestellten des Hotels in Marangu sagen uns nach dem Frühstück mit dem wunderschönen – und voller Inbrunst vorgetragenen – Lied Dankeschön und auf Wiedersehen. Wir sind gerührt. «Das ist mir jetzt echt noch nie passiert»,höre ich jemanden murmeln. «Enjema safari! Gute Reise!» ruft Zawadi und winkt.

Das Leben in Tansania findet zu einem grossen Teil entlang der Strassen statt. Und so geniessen wir die Fahrt über Land Richtung erstem Nationalpark und lassen die vorbei gleitenden Bilder draussen vor dem Fenster unseres Busses auf uns wirken. Kinder in der Schuluniform die uns auf dem Weg zur Schule zuwinken. Die unzähligen jungen Männer auf Motorrädern, die an jeder Kreuzung ihre Taxidienste anbieten. Der Töfffahrer, der in fünf farbigen 25-Liter-Kanistern auf dem Gepäckträger die Milch seiner Kühe auf den Markt fährt. «Der oberste Kanister wird ganz sicher Anken sein, bis er dort ist», lacht Dänu. Der alte Mann, der seiner kleinen Ziegenherde beim Grasen zuschaut. Die Verkehrspolizistin, die ihr Gähnen abbricht als sie unseren Bus vollbeladen mit Touristen sieht, lacht und beide Daumen in die Höhe streckt. Die Frauen die ihre Babys in einem farbigen Tuch auf dem Rücken tragen. Oder die drei Massaifrauen, die Brennholz auf dem Kopf nach Hause tragen. Ihre Silhouetten zeichnen sich wie Scherenschnitte gegen den Horizont ab. Eine Hütte ist weit und breit nirgends zu entdecken.

Wir fahren in den Tarangire-Nationalpark ein und öffnen die Dächer auf unseren Safarijeeps. Impalas. Zebramangusten. Warzenschweine. Weissrückengeier. Wasserböcke. Sattelstörche. Strausse. Dik Diks. «Zebras, dort vorne!» ruft Therese. «Giraffe, links!» ruft Vreni. Einzig der einzelne Elefantenbulle in der Ferne entpuppt sich im Feldstecher als halbdürrer Strauch. Über den mächtigen Baobab-Bäumen ziehen dunkle Regenwolken auf. «Unglaublich schön, diese Bäume und diese Stimmung,», freut sich Susanne.

In der Tarangire Safari Lodge empfängt mich Joseph an der Reception mit: «Jambo Mister Dominik, es hat paarende Löwen im Tal unten. Zeigen Sie doch diese erst einmal unseren Gästen.» Und tatsächlich! Dort liegt eine Löwin entspannt auf dem Rücken und daneben ein Löwenmännchen im Gras. Was für ein Highlight für den ersten Tag! Wir freuen uns, spiegeln und fotografieren. Obani, ein Kellner, kommt zu uns und sagt: «Dominik, wieso schaut ihr alle nur dort hinten? Dort unten liegt ein zweites Löwenpärchen etwas näher!» Unglaublich! Aber wahr. Eine zweite Löwin liegt unten im Tal und neben ihr schaut ein zweites Löwenmännchen träge in unsere Richtung. (Ja, sie taten es.) Was für ein Start. «So viele Tiere, das war der Hammer!» fasst Martin beim Nachtessen zusammen. Wir nicken. Morgen halten wir erneut nach halbverdorrten Büschen Ausschau. Denn manchmal fangen sie an sich zu bewegen und werden zu einsamen Elefantenbullen.

Elefanten und Paparazzi im Tarangire Nationalpark.
Donnerstag, 12. November:
Ich erwache um sechs Uhr morgens und lausche dem Vogelkonzert. Dann höre ich den Nachbarn schnarcheln und ärgere mich darüber. Als ich vor das Zelt trete begrüsst mich Jacob, der Gärtner. Er deutet auf sein Ohr und fragt: «Kannst Du den Löwen hören?» Aha. Das Schnarcheln kommt von einem Löwen! Jetzt bin ich hellwach. Martin kommt und berichtet, das er eines der Löwenpärchen etwas hinter unseren Bungalows gesehen hat. Und Yvonne erzählt, dass vor ihrem Zelt frische Löwenspuren auf dem Weg zu sehen sind. Und das alles bereits vor dem Frühstück. Guten Morgen Tarangire!

Wir fahren mit unseren Safariguides in den drei Jeeps los. Weit und breit sind wir das einzige Fahrzeuge in der Weite des Tatangire Nationalpark. «Elefanten!» sagt unser Guide Samuel und zeigt geradeaus. Wir entdecken Strausse. Aber keine Elefanten. Samuel grinst nur. «Dort», rufen Vreni und Therese gleichzeitig: «Elefanten!» Wow. Vor uns bewegt sich eine grosse Elefantenherde langsam durch die Savanne. Wir schauen ihnen lange zu und zählen sie etwa 10mal durch. Wir können uns nicht einigen. 57 zählt Dänu. 59 sagt Samuel. 62 zählt Ricky vom zweiten Jeep. Egal. Im Tarangire gibt es circa 4500 bis 5000 Elefanten. Wir beobachten also über 1 Prozent des Bestandes vor uns. Fantastisch.

Auf der Weiterfahrt entdeckt Rüedu die Giraffen als Erster. 12 junge und alte Giraffen fressen sich von Akazie zu Akazie. Sie tun das mit geschickter Zunge sowie voller Eleganz und Grazie. Dann finden wir unsere Freunde vom Kilimanjaro wieder: die Bimbis, die Baumschliefer. Gleich daneben, auf den runden Felsen, leben auch die Klippschliefer. Unterwegs schaffen es neu auch die Kuhantilope und der Riedbock auf unsere Artenliste. Unten am Tarangirefluss beobachten wir eine 7-köpfige Elefantenfamilie beim gemächlichen Trinken.

Auf dem Weg zurück zur Lodge und zum Mittagessen halten wir nochmals nach den sich paarenden Löwenpärchen Ausschau. Wir entdecken eines der beiden rund 50 Meter neben der Strasse. Löwin und Löwe liegen entspannt hinter einem Akazienbusch. Wir warten gespannt. Dann stupst die Löwin den Löwen an, steht auf und geht zwei, drei Schritte. Vom Löwen sehen wir nur den breiten Rücken und los geht es. Nach 20 Sekunden legt sich die Löwin wieder auf den Rücken und räkelt sich. «Das wars?» fragt Yvonne. Wir nicken. Dafür geht so über ein paar Tage, erklären unsere Guides. «Ich kipp um», sagt André und packt sein Teleobjektiv weg,«wir machen hier ja voll einen auf Paparazzi!» Wir schmunzeln, packen Kameras und Feldstecher ein und gehen Mittagessen. Jetzt haben wir einen Löwenhunger.

Wir leuen bis am späten Nachmittag vor unseren Zelten, geniessen die unbeschreibliche Aussicht von der Terrasse oder baden im Pool. Auf der Abendpirschfahrt entdecken wir Gnus und geniessen die Fahrt durch die Landschaft voller Akazien, Ebenholz- Leberwurst- und Affenbrotbäumen. Samuel, unser Safaridriver bekommt eine SMS. Er hält an, checkt die Nachricht und fragt, ob es ok ist, wenn wir umkehren und etwas schneller fahren? Wir nicken. Er wendet den Jeep, drückt aufs Gas und schon beginnt die wilde Fahrt. 20 Minuten später zeigt er in die Savanne: «Löwen!» Wow! Dort liegt eine 8-köpfige Löwenfamilie und beäugt uns schläfrig und träge. Normalerweise würde hier eine Kolonne Jeeps um den besten Platz fürs Foto kämpfen. Jetzt sind wir 4 Jeeps und haben allen Platz der Welt. Wir schauen den acht Löwen beim Gähnen, Kuscheln und Schlafen zu. «Der absolute Wahnsinn», findet Fritz.

Auf dem Rückweg liegt das Flitterwochen-Löwenpaar noch immer in den Büschen neben der Strasse. Wir gedulden uns und schauen erneut bei der Paarung zu. Der Löwe brummelt sein tiefes Liebesgrollen und schon legt sich die Löwin wieder auf den Rücken. «Jetzt hab ich’s auch gesehen,», nickt Ingrid zufrieden und steckt die Kamera weg. «Dem Löwenpärchen müssen wir auch mal ein anständiges Trinkgeld geben», lacht Dänu. Auf der Terrasse in der Lodge sitzen wir um das Feuer in der Feuerschale. Stella singt uns zum Apéro das Malaika-Lied. Wir lauschen und hängen unseren Gedanken nach. So viele spannende Erlebnisse. Was für ein herrlicher Safaritag im Tarangire Nationalpark.

PS. Während ich das schreibe – Sie vermuten es – lausche ich draussen hinter dem Zelt dem Liebesgrollen eines Löwen. Echt wahr.

Tarangire – Home of Elephants und unsere Hotelsafari.
Freitag, 13.11.2020
«Das war ganz grosses Ohrenkino», nickt Martin als wir uns beim Sonnenaufgang treffen. Er hat den Löwen in der Nacht mehrmals brüllen gehört. «Er muss direkt neben dem Zelt gewesen sein!» Wir treffen die anderen Reiseteilnehmer beim Frühstück und in dieser Nacht haben alle einen Löwen brüllen oder knurren gehört. Und bei allen war er direkt vor oder hinter dem Zelt! Eines der Löwenpärchen entdecken wir unten am Tarangire-Flussufer. Wir können die Silhouette des Männchens von Auge beobachten. Was für ein Abschied von der Lodge.

Es gibt verschiedene Arten sich gegen die wilden Tiere zu wehren. Vor allem die kleinen und lästigen Wildtiere. Mit dem Antibrumm halten wir die Moskitos fern. Mit der WC-Bürste bugsiert Johanna die Grillen aus dem Zelt. Und mit dem Fliegentätscher sorgt Fritz für weniger Tsetse-Fliegen im Jeep. So geht das. Warzenschweine, Impalas, Wasserböcke, Gnus, Dik Diks und Grant Gazellen kreuzen unsere Pirschfahrt. Von den Aussichtspunkten aus geniessen wir das Panorama auf das Flusstalk und über die vielen Bäume. Wir holpern über die Piste und finden uns plötzlich an einem kleinen Wasserloch inmitten einer Herde von Elefanten wieder. Wir sind mucksmäuschenstill. Die Elefanten trinken, eine kleiner Dumbo wälzt sich im Schlamm und wir sind einmal mehr einfach sprachlos. Wir verharren so lange dieser magische Moment dauert und nach viel Schlammspritzen ziehen die Elefanten langsam weiter. «Einfach unglaublich», schüttelt Claudia den Kopf als wir von erhöhter Warte aus auf die Elefanten herunterblicken, die sich im Schatten der Akazien gruppieren. Im Hintergrund, am Horizont ziehen drei Giraffen ihres Weges. «Mindestens 70 Elefanten», rapportiert Dänu, der die ganze Herde einmal mehr ausgezählt hat. Es scheint als wolle der Tarangire uns den Abschied schwer machen. Und vor allem seinem Namen gerecht werden, der Park nennt sich selbst «Home of Elephants, das Zuhause der Elefanten». Kurz vor dem Gate wälzen sich noch zwei Warzenschweine mit einem Ferkel im Sumpf. Der Tarangirepark gibt wirklich alles.

Wir fahren weiter an den Lake Manyara. Bei der Einfahrt in die Lodge stehen über 30 Giraffen links und rechts des Weges Spalier. Wir fahren mittendurch. Graziös wandern die Giraffen in den Palmenwald hinein. Das Wasser des Sees reicht bis zu den ersten Bungalows unserer Lodge. Es sei 50 Jahre her, dass der Wasserstand das letzte Mal so hoch war. Der Nachmittag heute ist frei. Auf der Terrasse philosophieren wir über die verschiedenen Arten von Safaris. Gestern und heute machten wir eine Jeepsafari. Morgen früh machen wir eine Fusssafari. Und jetzt machen wir gerade eine Hotelsafari. Das heisst, wir liegen am Infintiypool, schauen auf den Manyarasee hinaus, trinken ein kühles Bier (oder einen Gin Tonic) und die Zebras, Gnus, Giraffen, Impalas und Warzenschweine grasen zusammen mit den Kühen friedlich zwischen unseren Bungalows. So wird sogar der freie Nachmittag zur Safari. Zur Hotelsafari. «Einfach nur geniessen!» meint Therese.

Abends sitzen wir bei einem Glas Weisswein direkt am Ufer des Sees. Flamingos und Enten fliegen in Formation vor uns über das Wasser. Am gegenüberliegenden Ufer ragt der ostafrikanische Grabenbruch 700 Meter in die Höhe. Ein Wetterleuchten ersetzt den Sonnenuntergang. Erst als es dunkel ist kehren wir zurück zur Lodge. Geniessen das Nachtessen bei Kerzenlicht. Irgendwo in der Dunkelheit stehen die Zebras, Gnus, Gazellen und Giraffen. Fleischfresser folgen Pflanzenfressern. «Lala salama», wünscht uns der Wächter der uns zu den Bungalows bringt. «Lala salama. Gute Nacht.» wünschen wir. Draussen ist es ruhig. Keine Löwen. Nur das Rauschen der Wellen vom See begleitet uns in den Schlaf.

Samstag, 14.11.2020
Fusssafari zu einem magischen Baum und Pavianscheisse stinkt.
«Showme?» Unser Massaiguide lacht und nickt. «Mein Name ist Showme und ich bin vom Stamm der Massai.» Er begrüsst uns im rotschwarz karierten Gewand, trägt die Massai-Pneusandalen an den Füssen und hält einen Stock in der Hand. Gemeinsam wandern wir Richtung Manyara-Seeufer. Einige Flamingos und ein Afrikanischer Löffler warten auf uns. Der Wasserstand des Sees ist sehr hoch, deshalb hat es zur Zeit nur einzelne Flamingos hier. Showme navigiert uns durch den Dreck und Schlamm der feuchten Uferlandschaft. Im Hintergrund grasen Gnus, Zebras, Gazellen und Warzenschweine friedlich vor den Palmeninseln. Wir stoppen vor einem Zebrakadaver. «Vor zwei Wochen erlegten eine Löwin und ein Löwe dieses Zebra hier. Sie jagten es von unserer Lodge bis hier. Dann sprang die Löwin dem Zebra an die Kehle und zerrte es auf den Boden.» Gespannt lauschen wir als der Massai uns die Details der Löwenjagd in lebhaften Bildern erzählt.

Etwas weiter zeigt uns Showme eine Akazie, um deren Stamm Termiten einen Termitenbau errichtet haben. «Wieso haben die Termiten ausgerechnet diese Akazie ausgesucht», fragt Showme rhetorisch? «Wir wissen es nicht», antwortet er sich selber. «Aber für die Massai hatte dieser Baum einfach mehr Glück als andere Bäume und ist deshalb jetzt ein «Magic Tree», ein magischer Baum, ein heiliger Baum. Wenn die Massai Sorgen haben, wenn z. B. die Regenzeit nicht kommt, dann kommen wir hierher zu diesem Magischen Baum und beten. Wir nicken und lachen. Showme legt sich die Hand aufs Herz und fährt fort: «Es funktioniert aber nur wenn man auch wirklich daran glaubt.» Das wiederholt der Massai mehrmals voller Überzeugung und mit soviel Herzblut bis wir nur noch nicken und nicht mehr lachen. Und ganz wichtig: man muss sich bei dem heiligen Baum dann auch bedanken. Zum Beispiel mit Milch und Blut von den Kühen die dank dem herbei gebeteten Regen nicht gestorben sind. Showme wünscht uns eine gute Reise und dass wir im nächsten Frühling nochmals zurückkommen, denn er habe noch so viel mehr über das Leben und die Sitten und Gebräuche der Massai zu erzählen.

Susanne (und alle anderen Gäste auch) findet hier in der Lodge würden sie gerne noch eine Nacht länger bleiben. «Mega, das ist hier Psychohygiene total,» sagt Susanne, «diese Weite, die erfreut einfach das Auge!» «Apropos Weite», klopft Fritz mir auf die Schulter. «Fahrt dann nicht ohne uns los, weil unser Bungalow liegt dort hinten am Horizont und wir müssen noch unser Gepäck holen!»

Wir machen uns zusammen mit Fritz und Ingrid und dem Gepäck auf den Weg und fahren über das Hochland von Karatu zum Ngorongorokrater hoch. Beim Parkeingang erwartet uns eine Horde Paviane. Als wir nach den Formalitäten zum Aussichtspunkt weiterfahren, trifft der dritte Jeep etwas später ein. Der Grund, eine Teilnehmerin war beim Fotografieren der Affen in Paviankot getreten. Und der Fahrer wollte unbedingt, dass die Schuhsohle vor dem Einsteigen in das Fahrzeug fein säuberlich geputzt wird. Das in allen Jeeps vorhandene Handdesinfektionsmittel wurde kurzerhand zum Putzmittel umfunktioniert. Was die ganze Aufregung sollte, frage ich? Die Antwort des Fahrers ist kurz und bündig: Pavianscheisse stinkt!

Wir suchen den Krater von oben mit den Feldstechern ab und entdecken grosse Büffelherden, Zebras, Gnus und – fast direkt unter uns – ein einzelnes, wanderndes Spitzmaulnashorn. Im Kuhama-Camp auf dem Kraterrand sitzen wir ums Lagerfeuer und lassen uns anschliessend von der Crew mit einem leckeren Nachtessen verwöhnen. Draussen wetterleuchtet es. Das Frosch- und Zikadenkonzert klingt an und ab.
Ein leichter Regen fällt. «We call that a God‘s Blessing», lacht Richard der junge Kellner. Na dann, mit Gottes Segen: Lala salama. Gute Nacht.

Ngorongoro – «Heimatland, hat es hier viele Viecher!»
Sonntag, 15.11.2020
Am Morgen weckt uns das Vogelkonzert und über den Akazien scheint die Sonne. Nach dem Frühstück fahren wir in den 16 x 20 Kilometer grossen Krater hinunter. Gnus und Zebras kreuzen in einer langen Linie unsere Fahrt. Ein erster Schabracken Schakal trabt frech an unseren Jeeps vorbei. Die grossen Ohren der Löffelhunde verraten uns ihren Bau und so entdecken wir eine Familie mit zwei jungen Löffelhunden, die neugierig zu uns hinüber äugen. Weiter unten im grünen Schilfgras erwarten uns grasende Flusspferde, die von weitem aussehen wie grosse runde Felsen.

Wir fahren, halten an und schauen über die eindrückliche Ebene die sich vor uns ausbreitet. Dänu nimmt den Feldstecher von den Augen, schüttelt den Kopf und sagt: «Eine Wahnsinnssache ist das, hier hat es ja abnormal viele Tiere.» Zebras, Gnus, Kaffernbüffel, Grant- und Thompson-Gazellen grasen in kleinen und grösseren Herden im Krater. Da es das ganze Jahr über genügend Futter für die Tiere hat, leben diese hier stationär, müssen also nicht aus dem «kalten Ort», so nennen die Massai den Ngorongorokrater, hinauswandern. Auch die grösste Antilopenart, die Elenantilope, entdecken wir zwischen den Akazienbäumen.

Therese ist beeindruckt von der Ruhe, die herrscht, wenn wir die Motoren abstellen und uns einfach Zeit nehmen die Tiere zu beobachten. «Dort, zwei Tüpfel Hyänen auf 11 Uhr!» «Links auf 9 Uhr, was sind das jetzt schon wieder für Vögel?» Es sind die hübschen Kronenkraniche. Und gleich daneben zwei Riesentrappen. Der Magadisee hat so viel Wasser wie noch nie. Trotz des hohen Wasserstandes sichten wir den Nimmersatt, den Sattelstorch und sowohl die pinken Zwergflamingos als auch die helleren Grossen Flamingos. Und dort: Pelikane! Als Nächstes entdecken wir einen mächtigen Elefantenbullen, der einsam durch die Savanne streift. «Wahnsinn, der hat ja Weltdonners-Zähne», tönt es in breitem Berndeutsch aus dem Jeep.

Wir suchen den Lerai-Wald nach Elefanten ab, finden aber keine. Als wir aus dem Wald heraus fahren entdecken wir ein paar hundert Meter neben der Strasse drei graue Felsen. «Rhinos!» lacht unser Safaridriver Samuel und parkiert den Jeep. Wir freuen uns und zücken Kameras und Feldstecher. Und dann, als wir noch diskutieren, ob es 450 oder 700 Meter Distanz zu den drei Spitzmaulnashörnern sind, geschieht es. Es ist einer jener magischen Augenblicke, die einfach passieren und die man nicht planen kann. Zwei der drei Nashörner stehen auf. Gehen ein paar Schritte, eines legt den Kopf auf den Hintern des anderen Nashorns und … «Wow. Unglaublich. Der absolute Wahnsinn! Seht ihr gerade auch was ich sehe?!» Papa Nashorn besteigt Mama Nashorn. Wir staunen und lachen wie Kinder und versuchen den Moment festzuhalten. «Es dauert bei den Nashörnern auf jeden Fall viel länger als bei den Löwen!» stellt Vreni trocken fest, als Papa Rhino nach ein paar Minuten wieder auf allen Vieren steht. Über uns rollen die Donner und hinter uns fällt der erste Regenvorhang nieder, aber wir lassen uns nicht beeindrucken, zu intensiv sind die Erlebnisse. Normalerweise würden sich jetzt an die hundert und mehr Jeeps innert Minuten hier einfinden … Heute sind es einzig unsere drei Jeeps und zwei andere Fahrzeuge. So muss es vor 60 Jahren gewesen sein, als Grzimek 1959 «Serengeti darf nicht sterben» gedreht hat.

Nur ein paar Meter weiter halten wir die Jeeps schon wieder an und schauen einem Serval beim Jagen zu. Leichtfüssig schleicht und springt die elegante Katze in den Büschen herum. Und erbeutet direkt vor unseren Augen eine Maus. Die Fotografen unter uns nicken. Das war Spitze! Ja und wenn es läuft dann läuft‘s, auf dem Weg zum Picnic ruft Samuel: «Rhino, 11 o‘clock!» Und wir sehen gerade noch wie sich unser 5. Nashorn uns Gras legt und ein Nickerchen macht.

Am See beim Picnic beobachten wir Flusspferde mit einem Jungen. Auf der Weiterfahrt bemerkt Rüedu: «Hier waren wir schon!» Stimmt, antworte ich und argumentiere, dass ein guter Hirte seine Herde morgens und abends kontrolliere. Die Wahrheit ist, viele der Pisten sind zur Zeit einfach Land unter. Im Lerai-Wald entdecken wir dieses Mal eine mindesten 20-köpfige Herde Elefanten mit vielen Jungtieren. Der jüngste «Pfüderi» ist noch nicht ganz einen Monat alt, schätzen unsere Guides. Wir machen uns zufrieden und voller Eindrücke auf den Rückweg zum Feierabendbier. Die drei Spitzmaulnashörner sind im Wald verschwunden. Samuel bremst und deutet nach rechts. Und dort liegt er, der König der Tiere. Einsam, mächtig, direkt neben der Strasse. Er tut was er 16 Stunden am Tag macht: er schläft und würdigt uns keines Blickes. Und weil aller guten Dinge drei sind, sehen wir auf der Fahrt zum Kraterrand nach den Löwen (im Tarangire) und Nashörnern auch noch wie sich zwei Zebras paaren. Schreibst Du das auch um Blog, fragen die Gäste lachend?

Zurück im Kuhama-Camp gönnen wir uns einen Apéro und eine warme Dusche. Fleissige Hände ziehen dazu das über dem Feuer erwärmte Wasser in den 20-Liter-Kübeln über das Zelt hoch. Yvonne findet die Zelte und die Einrichtung wahnsinnig schön: Wie die Crew alles mit Liebe zubereitet, sogar das Handtuch zum Schwan faltet und (Achtung hier wird ein Geheimnis verraten) die warme Bettflasche abends um Bett – einfach unglaublich. Wir stossen beim Nachtessen mit einem Glas südafrikanischen Rotwein an. Manuela prostet: «Auf einen mega schönen Tag!» Und Dänu fügt an: «Auf dass sich die Tiere Afrikas weiterhin gut vermehren mögen!

Abenteuer in Endulen und eine Geburtstagsüberraschung auf dem Baum.
Montag, 16.11.2020
Es regnet die ganze Nacht. Es regnet beim Morgenessen. Es regnet als wir uns auf den Weg Richtung Massailand machen. Die Piste ist bei Regen eine Herausforderung und oft nicht passierbar. Ich bespreche mich mit den Fahrern und wir entscheiden uns, die Fahrt trotz Regen zu versuchen. Kurz vor dem Treffpunkt mit Kimani, unserem Massaiguide, geht die lehmige Strasse etwas hinunter. Die drei Fahrer gehen die Strecke zu Fuss rekognoszieren. Sie nicken, das geht. Die ersten beiden Jeeps kommen gut runter, der dritte rutscht in den Strassengraben. Die Fahrer beraten was zu tun ist und entscheiden ihren Kollegen mit einem andere Jeep herauszuziehen. Wir schauen uns die Sache aus sicherer Distanz an und zweifeln alle ob das gut geht. Nur Claudia glaubt – ganz wie Showme, der Masssiguide in Ndutu, es uns beigebracht hat – ganz fest daran, dass es klappt. Eine Viertelstunde später steckt auch der zweite Jeep im Dreck. Wir stehen im Regen und sind gespannt wie es weitergeht. «Mach dir keine Sorgen, Dominik», lacht Kimani, «Alles kommt gut!» Er greift zur Schaufel und fängt an vor den Rädern Dreck wegzuschaufeln. Ein Landrover mit Parkrangern kommt vorbei. Sie wenden kurzerhand ihr Fahrzeug und ziehen den zweiten Jeep aus dem Schlamassel. Mit viel Gas und im Rückwärtsgang kriecht auch der erste Jeep den Graben hoch auf sicheres Terrain. Wir applaudieren und Claudia lacht: «Seht ihr, man muss nur ganz fest daran glauben!» Auch André grinst und steckt die Kamera ein: «Mensch, das ist ja voll der Abenteuerurlaub hier.»

Wir entscheiden uns nicht weiterzufahren und die Fahrzeuge hier zu wenden. Ich frage Kimani, ob wir von hier einen kleinen Spaziergang durch die Gegend machen können? Er nickt und wir wandern im Gänsemarsch durch niedrige Akazienbüsche den Hügel hinauf. Neugierige Kinder und Hirten mit kleinen Viehherden schauen uns neugierig nach. Wir sehen wie das Strohdach eines Massai Rundhauses neu gedeckt wird. Wir diskutieren wieso die Hütten keine Fenster, keinen Abzug oder Kamin haben. Kimani beantwortet unsere Fragen mit viel Wissen und Humor. Er erklärt uns, dass die Massai in vier Gruppen mit unterschiedlichen Aufgaben eingeteilt Erden können. Die Kinder: sie müssen Kleinvieh wie Ziegen und Geissen hüten und zur Schule gehen (oder manchmal auch nicht). Die Frauen: sie bauen die Häuser, ziehen die Kinder gross und besorgen den Haushalt. Die Krieger: sie beschützen das Vieh, die Familien und die Dörfer vor möglichen Feinden, z.B. den Raubtieren. Die Ältesten: sie geben Rat, treffen Entscheide und sind für die Rechtssprechung in der Gemeinde zuständig. Wir wandern zurück zur Strasse. Auch Kimani wüsste noch 1000 Sachen über das Leben und die Kultur der Massai zu erzählen. Er winkt zum Abschied: «Kommt wieder! Das nächste Mal erzähle ich mehr!»

Wir fahren Richtung Serengeti. Der Regen hört auf und es wird wärmer. Kimani hat uns von der gemeinsamen Landnutzung (Conservation Area) der Massai mit den Wildtieren erzählt. In diesen Gebieten leben die Wildtiere und die Masssi mit ihren Herden friedlich auf dem gleichen Territorium zusammen. Und so sehen wir Zebras neben Kuhherden grasen. Sehen Giraffen am Horizont Richtung einer Massai Rinderherde ziehen. Und Gazellen und Gnus direkt neben Massaidörfern weiden.

Auch beim Ndutu-See ist die normale Strasse Land unter. Der Wasserstand so hoch wie schon lange nicht mehr. Wir fragen einen Ranger nach dem besten Weg zu unserer Lodge auf der anderen Seite des Sees. Er deutet das Tal hinauf, wir machen uns auf den Weg, kurven um Bäume herum und rütteln mit dem 4×4 über Pfützen. «Dort drüben! Löwen!» ruft Samuel, unser Fahrer unverhofft. Wir pirschen uns an und finden zwei grosse Löwinnen faul am Boden liegen. Plötzlich flüstert Vreni: «Auf dem Baum! Direkt vor uns. Dort liegt noch eine Löwin!» Und tatsächlich, auf einem Ast im Baum liegt eine dritte Löwin, und äugt zu uns herunter. Wir unterhalten uns flüsternd und freuen uns über den seltenen und wunderschönen Anblick. Dann dürfen wir sogar zuschauen wie die Löwin vom Baum herunter klettert. Was für eine tolle Begegnung. Doch halt! Die werden doch nicht etwa …? Doch! Wir halten den Atem an und beobachten wie die drei Löwinnen, eine nach der andern, den Baum hochklettern und es sich auf einem Ast bequem machen. Wir freuen uns und schütteln fassungslos die Köpfe. «Hört!» sagen die Guides, als eine der Löwinnen knurrende Laute von sich gibt: «Sie ruft ihre Jungen!» «Dort!» und ganz kurz sehen wir fünf junge Löwenbabys aus einem Dornengebüsch heraus kommen. Doch sie verstecken sich gleich wieder. «Ich habe mir immer einen Löwen auf einem Baum gewünscht und jetzt sind es drei!» lacht Susanne glücklich, als wir die Löwinnen mit ihren Jungen verlassen. «Und ich kann mir kein schöneres Geburtstagsgeschenk vorstellen!», freut sich Ingrid, die heute ihren Geburtstag feiert.

Als wir uns abends auf der Aussichtsterrasse zum Apéro treffen, geraten wir vor lauter Freude über den erlebnisreichen Tag ins Philosophieren. Hätten wir die Baumlöwen auch gesehen wenn der eine Jeep nicht von der Strasse gerutscht wäre? Was wenn? Ich weiss es nicht. Aber ich weiss, dass die verrücktesten Sachen immer dann passieren, wenn man es nicht erwartet. Besonders in der Tierwelt. Besonders auf einer Safari. Besonders an Tagen wie diesen. Als wir nach dem Znacht zu unseren Bungalows gehen, leuchten über uns die Sterne. Das erste Mal auf dieser wunderbaren Reise.

Gnu-Fusssafari und warum Geparden Tränen haben.
Dienstag , 17.11.2020
Die einen Gäste lauschen in der Nacht dem Löwengebrüll. Die anderen schlafen tief und fest wie die Löwen. Früh am Morgen brechen wir zur Fusssafari auf. Wie Gnus, in Einerkolonne, folgen wir dem Massai mit dem Speer an der Spitze, am Schluss folgt der Ranger mir dem Gewehr. Unterwegs entdecken wir Grant Gazellen, ein langohriger Kaphase rennt erschreckt davon, unten am Ndutusee stelzen Flamingos im seichten Wasser und eine Elefantenherde wandert gemächlich zur Tränke. Sam, der Naturführer, zeigt und erklärt uns unterwegs Interessantes über die Lebensräume und Tiere. «90? Neun null?» wir fragen sicherheitshalber nach. Sam nickt. «Ja, 90!» Elefanten können miteinander auch mittels Bodenwellen über eine Distanz von 90 Kilometern kommunizieren. Sender ist der Rüssel und Empfänger sind die Fusssohlen der Dickhäuter. Wir lauschen etwas ungläubig. (Zurück in der Lodge schaue ich im Internet nach und finde unter GEOlino die Distanz von 10 Kilometern. So oder so, eine beeindruckende Distanz und Art der Kommunikation!) Unten im Flusstal kann sich eine Herde Gnus nicht entscheiden in welche Richtung sie vor uns fliehen will. Nach rechts. Zurück nach links. Wieder vorwärts. Nach einigen Minuten Herumrennen bleibt die ganze Herde still stehen und starrt zu uns hinüber. Auf dem Rückweg entdecken wir Giraffen, die unsere kleine Wanderherde (Jambo Jambo, Kati und Anna. Danke fürs lesende Mitreisen!) aufmerksam beobachten. Ein mächtiger Elefantenbulle frisst sich durch die Büsche und schenkt uns keine Beachtung.

Nach dem Frühstück steigen wir in die Jeeps und fahren Richtung Serengeti. Der Horizont wird weit als die Bäume sich lichten und mächtige Wolken türmen sich darüber auf. Wir begegnen den ersten kleinen – und später grösseren – Gnuherden, die auf ihrer grossen Wanderung südwärts, Richtung Ndutu, zum Kalben ziehen. Manuela strahlt, als eine gegen zwei Kilometer lange Gnuherde durch die unendliche Weite wandert. Das wollte sie sehen, jetzt ziehen die Gnus direkt vor ihren Augen. Auf den Simba Kopjes, den Löwenfelsen, liegen – als wir vorbeifahren – keine Löwen. Aber kurz nach den Felsen deutet Claudia ins Gras und dort liegen zwei Löwenmännchen. Sie interessieren sich aber mehr für die Gazellen in der Ferne als für uns und ziehen durch das dürre Gras von dannen. Wir brettern über die Piste als Manuela auf zwei schlanke Raubkatzen zeigt. Schon reissen die Fahrer das Steuer herum und wir beobachten zwei Geparden die durch die Savanne streifen. Die Zebras beobachten die beiden Gebardenbrüder aufmerksam. Und auch eine Gnuherde schaut die beiden neugierig an und folgt ihnen sogar ein Stück weit. Die Geparden legen sich ins Gras, einer beobachtet unsere Jeeps durchs Gebüsch, der andere äugt in die Savanne vor uns. Martin strahlt: «Zwei Löwenmännchen und zwei Gepardenmännchen! Ich glaube, wir haben uns heute Abend wieder eine Flasche Rotwein verdient.»

Und weil wir heute unsere ersten Geparden gesehen haben, gibt es abends im Camp am Lagerfeuer eine Gutenachtgeschichte. Die Einheimischen erzählen sich nämlich folgende Geschichte: Ein fauler Jäger hatte beobachtet, wie gut die Geparden jagen können. Also stiehlt er einer Gepardin die Jungen, um diese, wenn sie dann gross sind, für sich bei der Jagd einzusetzen. Die Gepardenmutter kommt von der Jagd zurück und findet ihre Jungen nicht mehr. Sie fängt bitterlich an zu weinen. Sie weint und weint und weint. Ein Jäger aus dem Dorf hört die Gepardin und fragt, wieso sie denn so bitterlich weine? Die Gepardin erzählt dem braven Mann vom Diebstahl ihrer Jungen. Der Mann fragt die Dorfältesten um Rat. Alle Männer sollen suchen und sie finden den frevelnden Jäger. Dieser wird aus dem Dorf vertreiben, weil er unehrenhaft gejagt und gehandelt hat. Denn ein Jäger darf nur seine eigene Kraft und sein eigenes Können auf der Jagd einsetzen. Die Männer des Dorfes bringen die jungen Geparden zu ihrer Mutter zurück. Aber da hatte die Gepardin schon so fest geweint, dass ihr die Tränen unter den Augen fürs ganze Leben geblieben sind. Und so kam es, dass die Geparden seither schwarze Tränen unter den Augen haben.

Tausende Gnus, sieben Löwen und kein Leopard.
Mittwoch, 18.11.2020

Nachts lauschen wir alle dem Löwengebrüll draussen vor den Zelten. Beim frühen Morgenkaffee rapportiert Fritz, dass er den Löwen ganz sicher fast durch die Zeltwand hätte streicheln können. So nahe klang sein Brüllen. Mit dem Massai Longishu und den beiden Rangern Theo und Pho gehen wir auf Fusssafari. Direkt vom Camp aus, mitten in der Serengeti. Drei mächtige Kaffernbüffel beäugen unseren Gänsemarsch durch die Savanne. Theo zeigt uns den Sandpapier-Baum. Und tatsächlich, die Oberfläche der Blätter fühlen sich an wie Schmiergelpapier. «120er Qualität», scherzt Ueli. Die Massai polieren damit ihre Speere, reinigen das Geschirr und feilen mit den Blättern ihre Fingernägel, erzählt Theo weiter. Eine Herde Thompson Gazellen wandert auf uns zu, erschrickt und rennt mit wedelnden Schwänzchen davon. Longishu zeigt uns wie die Massai mit ihrem Schwert, zwei verschiedenen Hölzern und Elefantendung ein Feuer entfachen. Doch der Dung ist zu feucht, es raucht, aber Feuer gibt es keines. Wir entdecken die Fährte eines Löwen, er folgte letzte Nacht demselben Trampelpfad wie wir, Richtung unseres Camps. «Big one!» lacht Theo. Wir beobachten eine Herde Gnus auf ihrer Wanderung Richtung Süden. «Läck, das hört ja nicht mehr auf», staunt Vreni. Immer mehr Gnus strömen aus dem Wald und füllen die Wiese. Wir sind uneinig und schätzen die Herde auf 700 bis 2500 Tiere. Und immer noch traben Gnus aus dem Wald. Auf dem Marsch zurück uns Camp begegnen wir Zebras, Gazellen, Giraffen und Büffeln.

Nach dem ausgiebigen Frühstück besteigen wir die Jeeps und gehen auf Pirschfahrt. Eine riesige Herde Gnus, Tausende von Tieren stehen jetzt auf der grünen Ebene, die gestern Abend noch komplett leer war. Zwischen den Gnus stehen kleinere Zebragruppen. «Gnus soweit das Auge reicht», kommentiert Therese, als unser Blick fasziniert über die Ebene schweift. Auf der Weiterfahrt begegnen wir einem Gepard. Er liegt am Strassenrand, schaut neugierig und verzieht sich dann in die Büsche. Etwas weiter entdecken wir einen Serval mit einem Jungen im hohen Gras. Das Kleine ist total süss. Ein Jöööh-Moment. Im Seronerafluss beobachten wir Dutzende von Flusspferden und zwei Nilkrokodile. Wir folgen den Strassen kreuz und quer durch die Savanne auf der Suche nach Tieren. Und auf der Suche nach einem Leoparden. Aber ohne Erfolg. Dafür entdecken wir – als wir eine weitere Reihe Bäume absuchen – eine 7köpfige Löwenfamilie die mitten auf der Strasse liegt. Wir freuen uns am unerwarteten Anblick und beobachten wie sie faul herumleuen.

Nach dem Picnic splitten wir unsere drei Fahrzeuge und fahren einzeln verschiedene Strassen ab, immer auf der Suche nach dem Leopard. In der normalerweise von Safarijeeps gefüllten Gegend um Seronera sind wir (fast) die einzigen Fahrzeuge. Wir kontrollieren mit unseren Augen und den Feldstechern Hunderte von Akazien und Leberwurstbäumen. Erneut ohne Erfolg. Jänosodehaut! Wir erfreuen uns der Landschaft, an gähnenden Flusspferden, dem hübschen Sekretär, an den farbigen Papageien und einer Thompson Babygazelle. Als wir uns auf den Rückweg machen, begegnen wir wieder der riesigen Gnuherde, zwei Hyänen und kurz vor dem Camp einer Elefantenfamilie mit einem ganz kleinen Elefantenbaby. Die Schätzungen über das Alter des Elefantenjungen gehen von einer Stunde bis drei Wochen. Den Jöööh-Effekt löst der kleine Jumbo so oder so aus, egal wie alt er nun ist. Heute war Babytag für uns in der Serengeti.

Unser bester Späher im Jeep, Rüedu, entdeckt auf dem Rückweg noch eine kleine Leopardenschildkröte direkt neben der Piste. Sie ist ein Vertreter der Little Five. Und trägt den Leopard deshalb im Namen. Immerhin.

Martin sitzt am Lagerfeuer und bringt den Tag mal wieder auf den Punkt: «Leopard hin oder her. Im Wald brüllt ein Löwe. Vor uns zuckt ein Wetterleuchten. Und wir haben so unglaublich viele Tiere gesehen. Das ist Weltklasse!»

Leoparden-Liebesgebrüll in der Serengeti
Donnerstag , 19.11.2020
Diese Nacht hören wir den Löwen nur aus der Ferne brüllen. Dafür erklingen die spitzen Rufe von Schackalen ganz in der Nähe. Nach einem frühen Frühstück brechen wir zu unserer letzten Pirschfahrt auf. Die Serengeti breitet sich nochmals wie ein Bilderbuch vor uns aus. Hinter dem Hügel begrüsst uns die Elefantenfamilie von gestern Abend. Der Babyelefant schaut zwischen den Beinen seiner Mutter hervor neugierig zu uns hinüber. Dann setzt sich die kleine Familie in Bewegung. Der Kleine passt nicht auf, strauchelt und fällt auf den Rüssel. Sofort geht der Rüssel der Mutter zu ihm hinunter. Doch der kleine Dickhäuter steht schon wieder, den Rüssel hoch in der Luft. Wir lachen ob seiner Tollpatschigkeit. Rüedu setzt den Feldstecher ab und sagt: «Egal ob ein Tag alt oder älter, der Pfüderi ist auf jeden Fall trocken hinter den grossen Ohren.»

Wir fahren vorbei an einer kleinen Herde Leierantilpen (Topi) und einer einzelnen Kuhantilope mit einem Kalb. Vier Hyänen liegen auf unserer Strasse, eine noch mit blutverschmiertem Gesicht. Einige hundert Meter weit weg liegt ein totes Gnu, ein Schakal nagt an den Knochen, ein Trupp Geier lauert ein paar Meter entfernt und wartet ungeduldig. Wir fahren zum dritten Mal durch die wachsenden Gnuherden. Es ist fast nicht vorstellbar, in einigen Tagen oder Wochen werden hier Hunderttausende Gnus zusammen mit ihren Begleitern, den Zebras, durchwandern. Das Gras leuchtet grün, das Futter für die Herden wächst. Ein Schabrackenschakal und zwei herzige Junge sprinten vor unserem Jeep weg in sichere Entfernung. Ein kleines Thompson Gazellenkalb schaut uns mit verschmiertem Kopf und mit grossen Augen an. Weit und breit entdecken wir keine Gazellenmama oder Herde. Die Serengeti ist gross und oft auch gefährlich.

Die Fahrer geben nochmals alles. Wir fahren eine der Baumreihen mit den freistehend Bäumen, auf welche die Leoparden gerne klettern und als Aussichtswarten benutzen, ab. Hier hatten wir gestern die 7 Löwen angetroffen. Samuel hält den Jeep an und wir kontrollieren die Bäume mit dem Feldstecher. «Sauber!» meldet unser Oberspäher Rüedu. Schon wieder nichts. Ich zähle noch neun Bäume, die vor uns liegen. Dann sind die Bäume zu Ende und es hat nur noch endlose Savanne, Gras und keine Leoparden. Baum 9, 8, 7, 6 und 5 vermelden wir ebenfalls als sauber. Samuel hält den Jeep ein weiteres Mal an. Wir spiegeln den viertletzten Baum, es ist ein Leberwurstbaum mit dichtem Geäst. «Da! Zwischen den Blättern. Ein Leo!» ruft Dänu. Doch das stimmt nicht. Es sind sogar zwei Leoparden und sie klettern vor unseren Augen den Baum herunter und legen sich uns Gras. Kurz darauf hören wir Leopardenknurren aus den Büschen. «Ein Flitterwochenpärchen!» lacht Samuel, hebt die Mütze und kratzt sich zufrieden an der Glatze. Der Kreis schliesst sich. Nach den Löwen, den Nashörnern und Zebras nun die Leoparden beim Paaren. Wer hätte das erwartet! Wir sehen das Männchen nach rechts durchs Gras weglaufen, kurz danach folgt das Weibchen. Sie verstecken sich im hohen Gras und Gebüsch und fortan hören wir sie nur noch ab und zu beim sich Paaren. Wir freuen uns und machen High Five auf unsere Big Five. Ich denke an Roger M. Roger hatte sich den Leoparden auf der letzten Reise so sehr gewünscht. Aber damals hatten wir weniger Glück. Er hatte mir vor der Reise extra geschrieben und uns Glück gewünscht. Jetzt sind es gleich zwei Leoparden: Asante sana Roger, einer ist für Dich. Wir warten, beobachten und lauschen den Liebesgeräuschen. Samuel zupft mich am Ärmel und zeigt auf die Uhr. Unser Flug nach Sansibar geht in einer Stunde. Wir nicken, werfen einen letzten Blick auf das Gebüsch und geben Gas.

Was für ein Abschiedsgeschenk! Vor uns ragen die Silhouetten der Akazien- und Leberwurstbäume aus der Savanne in den wolkenbedeckten Himmel. «Hast du bemerkt, es hat nicht geregnet, die letzten zwei Tage», sagt Samuel. Ich nicke. «Bald kommt die kleine Regenzeit, ihr habt Glück gehabt!» Ich blicke nochmals über die «unendliche Ebene», hoch zu den Wolkentürmen und zurück Richtung der Baumreihe mit den Leoparden. Dann nicke ich erneut. «Oh ja rafiki (Freund), das haben wir. Und wie!»

Unsere Propellermaschine setzt auf der Gewürzinsel Sansibar sanft auf der Landebahn auf. Es ist an die 30 Grad warm, wir ziehen unsere Jacken und Hemden aus. Auf der Fahrt zum Resort staunen wir ob dem Gewusel der Menschen in den Strassen und ausserhalb der Stadt über die üppige Wüchsigkeit der Vegetation. Eine prachtvolle Gartenanlage mit blühenden Frangipani- und Feuerbäumen, Hibiscus-, und Bougainville-Sträuchern erwartet uns im Hotel. «Schon ein bisschen wärmer hier», sagt Fritz. «Eine komplett andere Welt», meint Therese. Wir checken ein, ziehen die Badehose an und stürzen uns in den Indischen Ozean. Das Wasser muss 28 Grad warm sein. Herrlich. Jetzt beginnt der Ferienteil von Aktivferien.

Sonnenaufgang auf Sansibar und ein letztes Lachen.
Sonntag, 19.11.2020
6.15 Uhr. Endlich. Am letzten Morgen auf Sansibar kann André den lang ersehnten, perfekten afrikanischen Sonnenaufgang fotografieren. Elisa lacht. Ahmet lacht. Mussa lacht. Jimmy lacht. «Good bye Mister Kilimanjaro.» ruft Jonathan, der Barmann im Bluebay-Resort. Drei Tage lang haben wir die Aussicht auf die Palmen, auf den Ozean und das sorglose Leben im Resort genossen. Haben die vielen Erinnerungen und Fotos sortiert. Haben gesonnt, gebadet, geschnorchelt und sind dem weissen Strand entlanggewandert. Haben wunderbar gegessen und kühle Drinks genossen. Auf dem Weg zum Flughafen werden wir uns noch eine Gewürzfarm und Stonetown, die Altstadt Sansibars, anschauen. «Enjema safari! Gute Reise!» winkt Joyce, die Bardame und schenkt uns ihr strahlendstes Lachen.

Juli 2020: Keine Menschenseele am Kilimanjaro

Wanderleiter Dominik Abt ist mit der ersten Aktivferien Gruppe am Kilimanjaro unterwegs. Auf unserem Blog berichtet er täglich von den Erlebnissen seiner Gruppe. Und vom Gipfelerfolg! Mutterseelenallein auf dem Kilimanjaro!

Unterwegs auf den Kilimanjaro. 29.06.20.
Die Chagga, die Menschen die seit rund 300 Jahren am Fuss des Kilimanjaro leben, haben ein Sprichwort: Man spürt ihn, auch wenn man ihn nicht sieht. Und genau so ist es dieses Mal. Beim Anflug sehen wir den Kilimanjaro schneebedeckt aus den Wolken ragen. «Oh Mann, wir hätten die Schneeschuhe mitbringen sollen», murmelt Nicolas. Als wir im Bus übers Land fahren, sehen wir ihn weiss verschneit über die Savanne ragen. «Schon ziemlich hoch», stellt Priska beeindruckt und etwas zweifelnd fest. «Wir können das, Mama», beruhigt Flavia ihre Mutter und fotografiert den Mount Meru im roten Abendlicht für ihre Instastory. Als wir durch die Dunkelheit nach Marangu hochfahren spüren wir ihn. Ganz deutlich. Erahnen kurz sein weisses Haupt. Mächtig, aber auch freundlich lässt er uns seine Nähe spüren. Er wartet auf uns. Ich vermute, auch Kilimanjaro freut sich, dass wir wieder da sind.

Unterwegs auf den Kilimanjaro. 30.06.20.
«We are so happy to see you back my friends,» strahlen Mister Evarest und Godlisten als sie uns beim Hotel begrüssen. Man spürt ihnen die Freude und Erleichterung gleichermassen an. Auf dem Dorfspaziergang erzählt uns Godlisten über die Bedeutung des Yuccastrauches. Ein gefaltetes Blatt dient dazu um Entschuldigung zu bitten. Entschuldigung ausschlagen und weiter grollen ist nicht erlaubt. Ein geknotetes Blatt auf dem Wag dient als Warnhinweis. Ein geknotetes Blatt auf einem Haufen Steine bedeutet: die Steine gehören mir! In Reih und Glied gepflanzt, markiert die Yuccapflanze die Grenze zum Nachbarn. Und bei uns ist die Yucca «einfach» eine Zimmerpflanze! Wir entdecken Kaffeesträucher, Mango-, Avocado- und verschiedene Bananenbäume. Für uns schauen die Bananenbäume zwar alle gleich aus, aber die Einheimischen unterscheiden Ess-, Koch-, Bier-, rote und moderne (vielseitig verwendbare) Bananen. Drei Männer überholen uns. «Jambo, Jambo», grüssen wir. «Poa, Poa», grüssen sie zurück. Gaudenz lacht und erklärt: «Sie eilen zum Kilimanjaro Farmhaus um nach Arbeit zu fragen. Offenbar hat es sich bereits herumgesprochen, dass Aktivferien wieder hier ist.»
Mister Evarest führt uns durch den Garten beim Farmhaus. Es hat viel geregnet in der grossen Regenzeit, deshalb konnte erst kürzlich gepflanzt werden. Aber erste Zwiebeln und die Rüebli- und Kartoffelblätter erkennen wir bereits. «Alles Bio», erklärt Evarest stolz. Und erzählt von den Einheimischen, denen sie ihr Wissen und Gratissamen an Informationstagen weitergeben. Wir fahren zu einem kleinen Markt und schauen uns die Produkte und das bunte Treiben an. Als mir eine Frau eine Bananstaude auf den Kopf lädt verwandeln sich die ernsten Gesichter in lachende Gesichter. Die Frau schafft es mit Leichtigkeit und balanciert die Bananen auf ihrem Kopf. Zurück im Hotel geniessen wir das Mittagessen und machen dann mit unseren Guides das Kili-Briefing. Unser Motto: Be happy und Pole Pole. Am Abend trinken wir nochmals ein letztes Kili-Bier. Maisha marefu. Morgen gehts los. Wir sind fröhlich und positiv. Kilimanjaro, wir kommen.

Unterwegs auf den Kilimanjaro. 1.07.20
«Are you feeling safe?» fragt uns die Chefin des Kilimanjaro Nationalparks, während wir unter ihren strengen Augen die Hände mit Seife am beim Parkeingang aufgestellten Wasserspender waschen. Als wir alle nicken und ihr versichern, dass wir sowohl überall freundlich willkommen geheissen wurden und auch die Hygienemassnahmen tipptopp seien, hellt sich ihr Gesicht auf. Jetzt strahlt sie wie ein Marienkäfer: «Welcome to Kilimanjaro, we are very happy to have you here. Enjoy your stay and have a successful climb!» wünscht sie uns herzlich. Der Kameramann hinter ihr filmt emsig unsere ersten Schritte durch das Gate Richtung Kili.
«Pole Pole», mahnt uns der gross gewachsene Guide Alfred und führt mit kurzen Schritten bergan. «Der Regenwald macht seinem Namen alle Ehre», stellt Roger fest. Es regnet! Wir lauschen den Tropfen die auf die Blätter fallen und geniessen die vielen intensiven Grüntöne der Bäume und Pflanzen.
Als der Regen nach dem PicNic aufhört, hangeln sich Blue Monkies durch die Bäume über uns und gleich vis-à-vis entdecken wir die langen weissen Schwänze der Mantelaffen. Wir freuen uns beide Affenarten bereits entdeckt zu haben. Der Wald wird heller, die grossen Erikabäume empfangen uns und schon sind wir bei den Mandarahütten auf 2720m.
Ach hier erwarten uns ein Handdesinfektionsspender und – WOW – neue, geräumige Hütten. Wir trinken Tee/Kaffee und essen Popcorn bevor wir die Wanderung zum Maundi-Krater unternehmen. Gleich nach ein paar Schritten entdecken wir die putzigen Baumschliffer auf den Bäumen und erneut eine Familie Mantelaffen. Sie schauen neugierig zu uns runter und springen dann von Baum zu Baum. «C‘est genial», freut sich Benjamin, mit 18 Jahren unser Jüngster. Wir umrunden den Maundi-Krater mit den vielen Bartflechten an den Erikabäumen. Sie schauen im Nebel aus wie Gespenster aus einer anderen Welt.
Das Verrückteste aber ist: wir begegnen unterwegs keiner Menschenseele. Die Mandarahütten haben wir ganz für uns alleine. Und als ob das nicht schon unglaublich genug ist, besucht uns beim Nachtessen noch eine Ginsterkatze im Essraum. Was für ein Tag. Was für ein Start.

Unterwegs auf den Kilimanjaro, 2.07.20
«Jambo Jambo. Did you sleep well?», begrüsst uns Gaudenz mit einem breiten Lachen. Unsere Kopfnicken fallen unterschiedlich stark aus. Aber alle sind fit und munter. Gaudenz ist einer unserer Aktivferien-Bergführer und der schnellste Afrikaner am Kilimanjaro. Im 2017 rannte er den Kili in 8 Stunden und 6 Minuten hoch und wieder hinunter. Heute führt er uns in gemächlichem Schritt hoch zu den Horombohütten. Es tropft noch von den Bäumen aber bald lichtet sich der Regenwald und wir tauchen ein in den Nebel zwischen den Erikasträuchern. Genau wie Godlisten vorhergesagt hat, wird es je höher wir kommen umso trockener. Kurz vor der Mittagsrast drücken die ersten Sonnenstrahlen durch und wir sehen den Kili weiss in der Ferne grüssen. Aber bereits sind wir ihm einiges näher als gestern. Zwei Schildraben beobachten uns beim PicNic und klauen uns doch tatsächlich – und obwohl wir Acht geben – einen Muffin!
Emanuel erzählt uns eine von alters her überlieferte Geschichte, in kurz: Kibo war ein fleissiger Berg und Mawenzi ein fauler Berg. Mawenzi geht das Feuer aus und er bittet Kibo um Feuer. Der aber will für einmal nicht aushelfen. Deshalb bewirft Mawenzi Kibo mit Porridge  Schnee und Gletscher) und Kibo bestraft Mawenzi indem er mit dem Kochlöffel auf diesen einschlägt  felsiges, gezacktes Aussehen).
Weiter geht es durch die Moorlandschaft, vorbei am Gezwitscher der Malachite Sunbirds (Nektarvogel) und vielen gelben und weissen Strohblumen. Erste Fackellilien leuchten gelb und rot entlang des Weges und Schopfbäume und Riesensenecien grüssen uns von beiden Seiten des Pfades. Wir erreichen die Horombohütten auf 3720m und gratulieren uns – Social Distancing auf 3720m – mit den Ellenbogen. Auch hier warten neue, geräumige Räume, eine Schüssel warmes Wasser, Kaffee, Tee und Popcorn auf uns. Und bald schon ein feines Nachtessen aus Benedict’s feiner Küche. Allen geht es gut. Wir singen und spielen UNO mit den Guides. Und, ich weiss, ich wiederhole mich: wir sind zusammen mit unserer Crew die einzigen auf der Route und auf den Hütten. Einmalig! Unglaublich!

Unterwegs auf den Kilimanjaro, 3.07.20
Als wir am Morgen aus den Schlafsäcken kriechen scheint die Sonne über den Horombohütten. Unter uns liegt das Wolkenmeer des Regenwaldes. Über uns am Horizont grüsst der schneebedeckte Kilimanjaro freundlich im Morgenlicht.
«Haraka haraka haina baraka», sagt ein Sprichwort in Tansania. Frei übersetzt: Grosse Eile bringt keinen Segen. An diese alte Weisheit halten wir uns. Heute ist unser Akklimationstag. Wir geben dem Körper Zeit sich an die Höhe anzupassen.
Beide Familien erscheinen gut gelaunt zum Morgenessen. Danach brechen wir auf zur Akklimatisatinswanderung. «Babyschritte» nennt unser Leadguide Godlisten die kurzen Schritte mit denen er uns bergan führt. Nebelfetzen jagen an uns vorbei und die Riesensenecien sehen aus wie Gespenster. Hoch zu den Zebrafelsen und weiter, vorbei an Tausenden von «Kilimanjaro-Edelweiss», wandern wir zum Aussichtspunkt auf 4343m. Wir sehen den Weg von morgen und die Kibohütten. Über dem Kilimanjaro jagen sich die Nebelfetzen.
Zurück auf Horombo desinfizieren wir uns die Hände an der «Coronastation» und geniessen einen späten Lunch und den freien Nachmittag. Nachdem ich vorgestern statt Käse Zucker über meine Spaghetti gestreut hatte, würzt sich Benjamin seine Omelette heute statt mit Ketchup mit Chilisauce…
Abends besuchen wir die beiden Chefs in ihrer Küche: Emanuell und Dismas (nicht Benedict, wie gestern vermeldet. Ehre wem Ehre gebührt!) Und wir staunen, wie die beiden auf engstem Raum das stets leckere Essen zubereiten. Über uns leuchtet ein fast runder Vollmond. Morgen gehts hoch durch die alpine Wüste Richtung Kibohütten und Gipfel. Mit Freude und Respekt gleichermassen. Pole. Pole.

Unterwegs auf den Kilimanjaro, 4.07.20
Beim Aufstehen grüsst uns Kilimanjaro mit seiner weissen Schneekappe im Morgenlicht.
Alle essen und trinken etwas beim Zmorge – ein gutes Zeichen. Wir brechen im Gänsemarsch auf Richtung Kibohütten. Beim grossen Senecienfeld machen wir Fotos mit dem schneebedeckten Kilimanjaro im Hintergrund. Und ein paar hundert Atemzüge weiter – welch ein Anblick – entdecken wir eine 22-köpfige Herde Elenantilopen. Sie bewegen sich so langsam wie wir. Pole. Pole. Heute führt uns Emanuell (der Bergführer, nicht der Koch) mit langsamen und steten Schritten höher und höher. Vorbei am munteren Gezwitscher der Almenschmätzer, vorbei am «last water point» und hoch über einen Sattel hinein in die alpine Wüste. Letzte Strohblumen, Grasbüschel, ein paar herzige Vierstreifengrasmäuse und ein paar Schildraben in der Luft. Weit und breit sonst nichts. Wir machen PicNic in der Einöde und bald gehts wieder weiter. Fredy, einer unserer Servicejungs empfängt uns mit: «Alles gut?» und einem Glas Mangosaft. Auch bei den Kibohütten auf 4720m erwarten uns ein freundlicher Ranger, Desinfektionsmittel und neue «private Rooms». Erneut dürfen wir die geräumigen 4er-Zimmer zu dritt, zu zweit oder alleine beziehen.
Die Kibohütten und der Kili liegen im Nachmittagsnebel. Aber wie besagt das Sprichwort der Chagga: Auch wenn den Kilimanjaro nicht sieht, spürt man ihn. Und Nicolas sagt: «Maintenant je le sent, le Kilimanjaro.» Wir spüren den Kili. Jetzt ganz nahe!
Es geht allen soweit gut. Wir ziehen uns warm an, machen ein letztes Briefing, essen Spaghetti (Maxime le plus!) trinken soviel wir können und packen die Rucksäcke für morgen. Um Mitternacht gehts los. Wir haben Glück: ein freundlicher Kilimanjaro und ein voller Mond warten auf uns. Be happy und pole pole!

Unterwegs auf den Kilimanjaro, 5.07.20
Kibohütten, 4720m. Charline, 19 Jahre, und Benjamin, 18 Jahre, haben auf dieser Höhe die paar Stunden Ruhe um Schlafsack tief und fest geschlafen! Es ist nach Mitternacht. Über uns leuchtet der Vollmond. Sternenhimmel. Fast kein Wind. Nicht besonders kalt. Weiss leuchten die Schultern des Kilimanjaro-Kraterrandes zu uns herab. Wir sind mutterseelenallein im Aufstieg.

Eine Fabel der Chagga besagt: Von alters her war die Erde flach. Eines Tages richtete sie sich auf und wollte mit dem Himmel reden. Es ergab sich ein gutes Gespräch. Als sie sich wieder trennten, schaffte es die Erde nicht überall nach Hause zurück. So entstanden die Berge und Hügel.

Jetzt wandern wir auf den Berg, der dem Himmel in Afrika am nächsten kommt. Auf das Dach von Afrika. Bis zum Uhurupeak. 5895m hoch. Wir hatten Angst, Respekt und dann den Kili beim Anmarsch Tag für Tag mehr ins Herz geschlossen.
Unser Leadguide Godlisten führt uns mit kleinen «Babyschritten» durch die Nacht bergan. Die Bergführer Gaudenz, Emanuell und Alfred singen und summen Lieder und umsorgen uns.

Gillmans Point, 5718m. Benjamin ist schuld. Er hat die Schrittlänge von Godlisten ganz zum Schluss noch etwas gebremst, so dass wir alle genau bei Sonnenaufgang am Kraterrand ankommen. Merci Benjamin! Aus dem orange-blauen Streifen am Horizont über dem Mawenzi steigt die rote Sonne Afrikas auf. Vor uns liegt der Kilimanjarokrater. Was für ein Anblick! Überglücklich gratulieren wir uns und lassen den Tränen freien Lauf, als sich die Anspannung der verschiedenen Familienmitglieder in Freude verwandelt. Auch unsere Bergführer freuen sich, wir gratulieren uns mit den Ellenbogen. Asante sana rafiki!

Uhurupeak, 5895m. Der Gipfel der Freiheit, der Uhurupeak, lockt weiss in der Ferne. Vom Gillmans Point über den Stella Point zum Uhurupeak liegt eine geschlossene, hart gefrorene Schneedecke. Und auch der Krater strahlt weiss schneebedeckt. Die Gletscher habe eine weisse Schneemütze gekriegt. Ein fantastischer Anblick. Wir wandern dem Kraterrand entlang höher. Und lassen den Emotionen erneut freien Lauf als wir am höchsten Punkt von Afrika ankommen. Das Unglaublichste aber ist, keine andere Menschenseele soweit das Auge reicht. Die beiden Familien haben das Dach von Afrika ganz alleine für sich und ihre 50-jährigen Geburtstage.

Und wie sagt Flavia, 20, beim Abstieg und Blick zurück aus der alpinen Wüste: «Jetzt schaut er irgendwie happy aus, der Kilimanjaro, nicht mehr so gfürchtig». Ich vermute, der Kibo mag happy people. Denn das sind wir, glücklich und zufrieden. Be happy und pole pole.

Unterwegs am Kilimanjaro, 06.07.20
«Eine Banane und den Fruchtsaft hast du noch» lacht Sven. Ich hätte es wissen müssen. Zwei Schildraben haben meine Lunchbox von der Treppe gestossen und so geöffnet. Das Sandwich, der Muffin, das dicke Ei und der Pouletschenkel sind weg. Clevere Viecher! Über den Horombohütten ragt der schwarz gezackte Mawenzi in den Morgenhimmel. Der Kilimanjaro grüsst uns freundlich mit seiner weissen Kappe. Wir schauen nochmals hoch und nehmen mit anderen Gedanken als noch vor drei Tagen Abschied von unserem lieb gewonnen Freund.
Auf dem Marsch zurück singt der grün schimmernde Nektarstrahlvogel zuoberst auf einem Erikastrauch für uns. Im Regenwald entdecken wir erneut die Mantelaffen, die Grünen Meerkatzen und die Bimbis (Klippschliffer). Und dann sind wir plötzlich nicht mehr alleine unter dem tropfend grünen Blätterdach unterwegs. Wir kreuzen die nächste Gruppe von Aktivferien.
«Einfach immer Pole Pole, dann klappt’s schon», rät Roger den fragenden Gesichtern. Wir nicken alle zustimmend und wünschen viel Glück.
Unten beim Parkausgang begrüsst uns der stellvertretende Parkchef mit einer Ansprache und zwei Flaschen Champagner. Alkoholfrei! Er gratuliert – mit Abstand und Ellenbogenä – herzlich und wünscht sich die Gäste zurück an den Berg. Auch unser Leadguide Godlisten gratuliert uns und bittet uns beim Trägerfest, möglichst viele Freunde herzuschicken. Als wir uns für die magere Tombola entschuldigen (nur 20 Kg Fluggepäck) ruft einer der Träger: «D‘ont worry. It’s better to have your company back climbing!» Wir singen und freuen uns gemeinsam über den Gipfelerfolg. Der Kilimanjaro hat uns sentimental gemacht: Beim Abschied von unseren tansanianischen Bergfreunden rollen schon wieder die Tränen.
Und dann geht die Party nach dem Nachtessen erneut los: Sven stellt die Playlist auf seinem Handy zusammen, David, der Junior-Hotelbesitzer, legt via YouTube auf und wir wärmen uns die Füsse am Kaminfeuer bei einem Fläschchen Kilimanjarobier. Es gibt viele gute Geschichten zu erzählen.

Unterwegs am Kilimanjaro, 07.07.20
Morgens um 5 Uhr läuten die Kirchenglocken. Um 6 Uhr kräht der Hahn. Und ein Hund bellt neumen. Ein Junge in Schuluniform winkt scheu. Ein alter Mann füttert seine beiden Ziegen mit dürrem Mais. Eine alte Feau balanciert eine Schale gelber Bananen auf dem Kopf. Ein Coca-Cola Laster kriecht vor uns die Strasse hoch. Männer und Frauen pflanzen Reis in nasse Felder. Ein Massai treibt eine Herde Rinder vor sich her. Winkende Verkehrspolizisten. Eine junge Frau trägt ihr Kind auf dem Rücken. Viele Männer auf Motorrädern die Taxidienste anbieten. Frauen mit Kesseln voller Wasser auf dem Kopf. Kaffeeplantagen. Ein Mann mit zwei Hühnern auf dem Gepäckträger seines Velos. Zwei junge Frauen mit frischen Frisuren winken uns lachend zu. Das Leben in Afrika. Momentaufnahmen von unterwegs.

Das Personal im Hotel in Arusha empfängt uns mit Gesichtsmasken. Desinfektionsmittel steht bereit. Nachdem wir am Kilimanjaro zu einer Kili-Familie zusammengewachsen sind, sitzen wir nun wieder mit 1,5 Meter Abstand zueinander am Tisch. Auch unsere Safariguides, Mister Mau und Dodo tragen Mund- und Nasenschutz. Bevor wir in die Safarijeeps einsteigen, müssen wir die Schuhsohlen desinfizieren. Beim Parkeingang kommt ein Ranger und misst allen die Temperatur an der Stirn. Dann lacht er breit und sagt: «Covid-free Jeep! You can enter now!» Wir fahren hoch zum Ngorogorokrater. Auf dem Aussichtspunkt sind wir die einzigen. Und auch im Krater sind keine Safarijeeps zu entdecken. Unglaublich! Wir sind alleine im von B. Grzimek als 8. Weltwunder bezeichneten Ngorongorokrater. Flavia möchte unbedingt Nashörner sehen. Also suchen wir den Krater mit den Feldstechern ab. Und tatsächlich: wir entdecken drei Nashörner nebeneinander. Was für ein Start für die Safari!
Abends erreichen wir die Zelte des Kuhama Private Camp auf dem Ngorongoro-Kraterrand. Die Crew und die beiden Massai tragen Hygienemasken. Ein ingeniöser Corona Handwasch-Seifen- und Wasserautomat steht bereit. Die Sonne geht rot hinter den Akazien unter. Emanuel bittet zum Dinner: «Ladies first!». Das Essen schmeckt himmlisch. «There are no words to describe such a place», meint Maxime. Wir sitzen am Lagerfeuer und schwelgen in Erinnerungen an das Abenteuer am Kilimanjaro. Die nächsten Abenteuer warten unten im Krater. Morgen!

Unterwegs am Kilimanjaro, 8.07.20
Wir fahren in der kühlen Morgenfrische in den Ngorongorokrater hinunter. Die malerischen Flachdachakazien kontrastieren schwarz gegen den grauen Morgenhimmel. Als wir den Nebelwald verlassen sehen wir die Ngorogoroschlange. Rund um den Krater hängen die Wolken am Kraterrand – wie eine sich in den Schwanz beissende Schlange halt. Und die Abenteuer beginnen. Es hat viel geregnet in der grossen Regenzeit. Der Krater ist grün, die Büsche stehen hoch und es hat verschiedene kleine Seen überall . Der Lake Magadi ist auf das Zehnfache seiner üblichen Grösse angeschwollen. Eine Herde Wasserbüffel zieht gemächlich zum Fluss hinunter. In der Ebene grasen Gnu- und Zebraherden. Die beiden häufigen Thompson- und Grant-Gazellen schauen uns an und rennen hüpfend auf sichere Distanz. Dort ein Schabrackenschakal. Ein erster Strauss. Drei Hyänen. Junge Zebras. Junge Gnus. Ein Goldschakal. Etwas vom Schönsten aber ist die Weite der Landschaft. Der kalte Ort, wie die Massei die Caldera nennen. Doch die Sonne kämpft mit dem Nebel.

Den Hippo-Pool erreichen wir nicht. Zuviel Wasser und auch die Strasse zum Leroiforest ist Land unter.
Dafür sehen wir Flamingos, Pelikane, Stelzenläufer und den Nimmersattstorch. Als wir zum PicNic-See fahren dreht sich unser Driverguide und fragt: «Do we have time to turn and go see something»? Wir nicken gespannt. Am Ende der wilden Fahrt warten zwei prächtige Löwenmännchen und fünf Löwinnen.«C‘est magnifique!» staunt Christine. Beim PicNic am See schauen uns 18 Nilpferd-Augenpaare zu. «C‘est fou ça», schüttelt Nicolas den Kopf. «Ich konnte mir das gar nicht vorstellen, es ist unglaublich», sagt Priska.
Wir entdecken nochmals zwei Löwenmännchen am Strassenrand. Und gemeinsam mit einer Herde Elefanten verlassen wir den Ngorongorokrater. Wir nehmen mit dem Jeep die Serpentinen der Strasse. Die Elefanten wandern gemütlich gerade durch die Büsche den Kraterrand hoch. Wie wir am Gipfeltag den Kilimanjaro. Pole. Pole.
Wir erreichen den Tarangire Nationalpark just in dem Moment als die afrikanische Sonne hinter den Baobab-Bäumen untergeht. Der Anblick ist so schön wie die breiten Lachen mit denen uns Stella und John in der Tarangire Safari Lodge: empfangen: «We are so happy to have you back!» Auch hier sitzen wir alleine im Essraum. Ich frage Jako, den Gärtner ob es Löwen in der Nähe hat. Er lacht: «not tonight Sir!» Über dem Zelt leuchten die Sterne. Und was ist das für ein Sound, frage ich den Wächter, der mich zum Zelt begleitet? Hyänen, lacht er. Aha! Lala salama. Gute Nacht.

Unterwegs am Kilimanjaro, 9.07.20
6.30 Uhr. Wir sitzen alle mit einem Kaffee auf der Terrasse der Tarangire Safari Lodge und schauen auf das Flusstal des Tarangireflusses hinunter. Hinter den Wolken vor uns geht langsam die rote Sonne auf. In der Ferne hören wir Löwen brüllen. Und gerade als ich denke, das Leben ist schön, kommt Lina und winkt uns mitzukommen. Wir eilen gemeinsam ans Ende der Zeltreihen nach Osten. Und dann wird das Leben tatsächlich noch schöner. Eine majestätische Giraffe schaut, nur als Silhouette gegen den roten Morgenhimmel erkennbar, zu uns hin. Als wir ihre Fluchtdistanz unterschreiten läuft sie würdevoll weg. Charline hält die Szene mit einem Video fest. Merci!

Zurück auf der Terasse wartet Jako und deutet ins Tal hinunter. «Lions,» fragt Flavia verblüfft? Jako nickt und lacht. Unten im Tal laufen drei Löwen Richtung Tarangirefluss. Gut von Auge erkennbar. Unglaublich. Aber der Tag hat erst begonnen. Angeführt von Stella, wandern wir leise und vorsichtig an den Zelten vorbei in denen wir schlafen. «Mais c‘est absolutment incroyable!, sagt Nicolas und schaut vorsichtshalber wo seine Kinder stehen. Im Hang unter uns kommen die drei Löwen langsam hoch. Wir flüstern und schätzen die Distanz auf etwas über 50 Meter. Dort stehen die Löwen zwischen den Büschen beobachten uns so neugierig wie wir sie. Einfach unglaublich! Wir ziehen uns langsam zurück. Als die drei Löwen zwischen unseren Zelten hindurch marschieren, hält Benjamin die Luft an und sagt: «Die laufen ja direkt an meinem Zelt vorbei!» Und der immer hungrige Maxime meint: «We are half an hour late for breakfast and the safari now.» Das sind wir. Und Recht hat er. Aber unsere Safari hat bereits begonnen.

Das nächste spannende Erlebnis wartet 100 Meter nachdem wir in die Jeeps eingestiegen sind. Eine Elefantenherde mit einer mächtigen Leitkuh kreuzt unseren Weg. Die Leitkuh stellt sich direkt vor unseren Jeep hin und schaut uns an. Wir halten den Atem an. Langsam wandert die gesamte Herde an uns vorbei. Die jungen Elefanten immer auf der uns abgewandten Seite nahe bei ihren Müttern. Als die letzte Kuh mit ihrem Jungen an unseren beiden Jeeps vorbei marschiert ist entspannt sich die Leitkuh und trottet ihrer Herde nach. Wir atmen wieder aus. Pole. Pole.

Wir sind die einzigen beiden Safarijeeps im ganzen Park! Auf der Pirschfahrt entdecken wir mehr Elefanten, viele Giraffen, Zebras, Impalas, Wasserböcke, Warane, einen Riedbock, Grüne Meerkatzen und die Elenantilopen die wir bereits auf 4000 Meter oberhalb der Horombohütten gesehen hatten. Und obwohl wir die Bäume den ganzen Tag mit Adleraugen nach Leoparden abgesucht haben bekommen wir nur den Trostpreis: eine einsame Leopardenschildkröte, die langsam vor uns über die Strasse kriecht. Abends in der Lodge singen wir und lauschen Stellas schöner Stimme: Nakupenda maleika. Ich liebe dich, mein Engel.

Unterwegs am Kilimanjaro, 10.07.20
6.45 Uhr. Wir sitzen mit unseren Kaffeetassen auf der Terrasse und beobachten den Sonnenaufgang. Beim Verlassen des Parks wandern drei mächtige alte Elefantenbullen an unseren Jeeps vorbei. Ein schöner Abschiedsgruss. Tarangire ist Home of Elephants. Und Home of Baobab-Trees. Auch die Affenbrotbäume grüssen mit ihren unzähligen Ästen im Morgenlicht. Den Leoparden entdecken wir auch auf der letzten Pirschfahrt nicht. So ist das Leben, bzw. die Tierwelt und vor allem die Safari. Man weiss nie, was man sieht oder was als nächstes passiert.

Beim Flughafen in Arusha verabschieden wir uns von unseren beiden Safariguides und ziehen unsere Gesichtsmasken wieder an. Wir quetschen uns in die kleine Twin Otter und fangen an zu schwitzen. Der Pilot heisst Ali und hält lachend den Daumen hoch: «Ready?» Wir nicken. Als wir die Wolken durchbrechen grüssen der schwarze Mawenzi und der weisse Kilimanjaro am Horizont. Unerschütterlich ragen unsere beiden Freunde aus den Nachmittagswolken. Ein letzter Blick zurück. Dort oben waren wir. Vor zehn Tagen löste der Anblick noch Respekt und Zweifel aus. Jetzt Stolz und Freude.

In Sansibar empfangen uns die warme Sonne und die Wellen des Indischen Ozeans. Und die tanzenden Massai und das lachende Gesicht von Jonathan im Bluebay Resort. Ganz Logo-konform hinter blauen Gesichtsmasken. «Hello Mister Kilimanjaro. We are so happy to have you all here again!»
Der weisse Sandstrand ist menschenleer. Unglaublich. Nach dem Kili, Ngorogoro und Tarangire sind wir auch hier die ersten und einzigen Gäste. Als wir ankommen geht ein Platzregen runter. Ein Hier-und-da-Regen, wie die Einheimischen auf Sansibar sagen. Wir lehnen uns zurück, bestellen ein kühles Safaribier und geniessen die Wärme, die Weite und das warme Meer. Wir haben wunderschöne Erinnerungen im Gepäck. Vom Kilimanjaro. Von der Safari. Von magischen Orten. Vor allem aber Erinnerungen an wunderbare Menschen, die uns berührt haben. In unseren Herzen (!) und nicht beim Begrüssen, Umarmen und Tanzen. Amazing Tanzania. Zurzeit mehr den je.

«Gömmer Kilimanjaro»

Neun ist meine Glückszahl. Es ist das neunte Mal das ich für Aktivferien auf den Kilimanjaro gehe. Auf der Teilnehmerliste stehen neuen Namen. Der älteste Gast ist 69 Jahre alt. Wenn das keine gute Omen für eine erfolgreiche Reise sind! So packe ich einmal mehr voller Freude meine Tasche und fliege mit den Gästen nach Afrika, 330 Kilometer südlich vom Äquator.

Biogemüse am Kilimanjaro
«Das ist ein toller Einstieg in das Leben in Tansania,» sagt Stefan und fotografiert die nächst Strassenszene in Marangu. Unsere Bergführer spazieren mit uns durch ihr Dorf am Fusse des Kilimanjaro. Sie zeigen uns die verschiedenen Bananensorten, Fruchtbäume und klären uns über die Sitten und Gebräuche der hier lebenden Chaga auf. Die Chaga sind einer 127 Völkerstämme die in Tansania zusammenleben. Friedlich und ohne Streit, wie sie uns bei jeder Gelegenheit erklären. Mister Evarest führt voller Stolz durch den Garten des Kilimanjaro-Farmhaus und zeigt uns die Rüebli, Zwiebeln und Auberginen die wir beim Anstieg auf den Kili essen werden. Biologisch angebaut, wie Evarest ausdrücklich festhält. Die Frauen, welche die Kochbananen am Dorfmarkt verkaufen, lachen sich krumm als wir versuchen einen Strunk Bananen auf dem Kopf zu balancieren. Sie selbst machen das mit einer Leichtigkeit und Grazie für die wir sie nur bewundern können.

Pole Pole. Langsam Langsam.
Durch den grünen Regenwald wandern wir vom Parkeingang auf 1720m vorbei an Grünen Meerkatzen, Mantelaffen und Baumschliffer zur Mandarahütte auf 2720m. «Ich schnalle zwar noch nicht ganz, dass wir jetzt unterwegs auf den Kilimanjaro sind, aber mir gefällts!» lacht Felix und beobachtet wie ein kleiner schwarz-weisser Mantelaffe am weissen langen Schwanz seiner Mutter herumturnt. Am nächsten Morgen nebelt und nieselt es beim Morgenessen. «Hakuna matata (kein Problem)!» erklärt Mister Livingstone, unser Leadguide. «Sind wir erst einmal über  dem Regenwaldgürtel wird die Luft trockener,» lacht er. Und tatsächlich, bei den Horombohütten auf 3720m,  grüsst uns am Abend die Spitze des Kilimanjaros im sanften Abendlicht. «Ich glaube das wird nichts,» stöhnt Erika als sich die ersten Symptome der Höhenanpassung bei ihr bemerkbar machen. Aber auch hier gilt unser Mantra: Pole Pole (Langsam Langsam). Und am nächsten Morgen sitzt Erika wieder mit der Gruppe beim Frühstück und findet das Porridge schmecke gar nicht so schlecht. Wir steigen zur Akklimatisation vorbei am Zebrafelsen zum Sattel auf 4353m auf und schauen uns die Anstiegsroute zum Kraterrand genauer an. «Eine ziemliche Geröllhalde aber machbar,» lautet das trockene Urteil des 69-jährigen Roland, den unsere Mannschaft liebevoll Babu (Grossvater) nennt. Am Nachmittag teilt uns Kassim, unser Küchenjunge, beim Uno-Spielen mit den Bergführern mit, dass wir allen Kaffee aufgebraucht haben. Doch die Nachschubkette am Berg funktioniert und zum Abendessen aus Benedicts hervorragender Bergküche schlürfen wir alle wieder heissen Africacafé.

«Gömmer Kilimanjaro!»
Am vierten Tag wandern wir an Riesen-Senecien vorbei und durch die alpine Wüste hoch zur Kibohütte auf 4720m. Wir trinken noch einmal so viel Tee und Kaffee wie wir können, essen Spaghetti und legen uns in die warmen Schlafsäcke. Schlafen tun wir zwar kaum, volle Blasen und Nervosität machen sich bemerkbar. «Gömmer Kilimanjaro!» ruft Emanuel, einer unserer Führer, um Mitternacht in seinem besten Schweizerdeutsch in die sternenklare Nacht hinaus. «Pole Pole,» mahnt Mister Livingstone und führt uns im Licht der Stirnlampen bergan Richtung Kili. «Echt jetzt, in diesem Tempo?» erkundigt sich Patrik unser Jüngster mit seinen 1.89 Meter Körpergrösse und Schuhgrösse 47. Aber auch Patrik lernt hinter Livingstone halbe Schritte zu machen und wandert brav im Gänsemarsch den Berg hoch. Die Nacht ist relativ warm und es geht nur ein sanfter Wind, über unseren Köpfen leuchtet die Milchstrasse. Schritt für Schritt. Atemzug für Atemzug. Zehen in den Schuhen bewegen. Erste Gipfelaspiranten haben aufgegeben und steigen erschöpft an uns vorbei ab. Schritt für Schritt steigen wir höher. Und plötzlich sind wir nicht mehr die Letzten am Berg sondern überholen erste Berggänger. Schritt für Schritt. Atemzug für Atemzug. «Das wars, ich geh runter,» meldet sich Günther, unser zweiter Hühne in der Gruppe. «Rafiki (Freund), das sind hier bereits die Felsen unter dem Gillman’s Point, hier geben wir sicher nicht auf,» erklärt Emanuel. Ein Schluck Coca-Cola. Ein Traubenzucker in den Mund. Und weiter geht’s. Pole Pole. Schritt für Schritt. Pause. Schritt für Schritt. In unserem Rücken geht langsam die Sonne auf und bringt Wärme und Kraft zurück. Der Gillman’s Point ist geschafft. Vor uns leuchten die Gletscher in der Morgensonne. Rechts ruht der schlafende Reuschkrater. Twende Twende (Weiter weiter)! Wir wandern dem Kraterrand entlang Richtung Gipfel. Schritt für Schritt. Pole Pole. Und alle stehen wir bald schon auf dem Dach von Afrika. Mit dem Uhurupeak, dem Gipfel der Freiheit, 5895m, als höchsten Punkt. «A strong and lucky group again!» lacht unser Glücksbringer und Bergführer Goodluck übers ganze Gesicht und umarmt uns voller Freude. Wir freuen uns auch und gratulieren uns rundum gegenseitig. Livingstone weist die anderen Führer in die Schranken und so kommen auch wir zum verdienten Gipfelfoto. «Irgendwie fehlt mir noch das grosse Glücksgefühl, es ging alles so schnell», sagt Yvonne als wir abends bereits wieder in den Horombohütten sitzen. Aber als uns die Crew unter der Leitung unseres Kochs Benedict den Kilikuchen singend überreicht und wir ausgelassen Singen und Klatschen, sinkt die Erkenntnis voller Stolz und Freude in unser Bewusstsein: wir waren oben und haben uns den Traum vom Kilimanjaro erfüllt.

Zurück im Hotel feiern wir mit unseren Trägern, Bergführern, der Küchenmannschaft und den Hotelangestellten den Gipfelerfolg. Über dreissig Einheimische haben für uns gearbeitet und Tanzen und Singen und freuen sich mit uns. Wehmütig verabschieden wir uns von unseren neu gewonnen Freunden mit herzlichen Umarmungen, Dankeschöns und Glückwünschen.

Zelten unter Schirmakazien
«Wow. Der absolute Wahnsinn!» lacht Jolanda als wir mit den Safarijeeps im neuen Aktivferien Privatcamp einfahren. Über unseren neuen, geräumigen Hauszelten ragen ausladende Schirmakazien in den Himmel und vor uns wartet der Ngorogorokrater mit Nashörnern und Löwen auf unseren morgigen Besuch. «Welcome to our new Kuhama Private Camp, my dear guests,» begrüsst uns Mister Yuma stolz. «Vom Feinsten!» nickt Roman als wir uns beim Lagerfeuer in der grossen Feuerschale zum Apéro einfinden. Erste Geschichten und Erinnerungen an die Kili-Besteigung machen die Runde  und ein feines Abendessen im Esszelt: «Self Service my dear guests. Ladies first!» runden den Tag ab. Über den Zelten leuchten erneut Millionen von Sternen und wir kuscheln uns an die warme Bettflasche unter der Decke und versinken in unsere Träume.

Lion Kings und Geparden
Unsere beiden Driverguides Godwin und Castro treten plötzlich aufs Gaspedal. Den ganzen Vormittag haben wir gemütlich Büffel, Zebras, Hyänen, Schakale und Gnus beobachtet, aber jetzt pressiert es plötzlich. «Dort! Zwei Löwen!» zeigt Jolanda. Tatsächlich. Stolz spazieren zwei Löwenmännchen durch die Savanne. Direkt an unseren Jeeps vorbei. Wir beobachten wie sich bei der nahen Büffelherde ein paar Büffel absondern und mit gesenkten Köpfen Richtung der beiden Löwen marschieren. Erst stolzieren die beiden Löwen ganz cool weiter, doch als die Büffel näher kommen legen sogar die zwei Könige der Tiere einen Schritt zu und stellen mit einem Sprung über den Fluss die nötige Distanz wieder her. Im Tarangirepark entdecken wir viele Giraffen und Elefanten. Am Tarangirefluss beobachten wir eine grosse Elefantenfamilie beim Wasserlöcher buddeln und Wasser trinken. Einfach wunderschön. Und auf der Fahrt zurück zur Lodge passiert was meist auf dem Rückweg passiert, über Funk erfahren wir das zwei Geparden einen Strauss erlegt haben. Los geht’s! Nach einer wilden Fahrt entdecken wir den noch frischen «kill». Mit blutverschmiertem Gesicht beobachten uns die beiden Geparden neugierig. Godwin lacht: «Zeit für unser eigenes Mittagessen my friends!»

Begegnungen mit spannenden Menschen
Am Strand beim Bluebay-Resort auf Sansibar steckt ein farbiges Schild im Sand: «Please leave nothing but your footprints.» Das werden wir. Mit nach Hause nehmen werden wir aber viele spannende Begegnungen mit wunderbaren Menschen. Das Wissen, das der Kilimanjaro verdient werden will. Das unsere Gruppe gemeinsam ihr Ziel erreicht hat. Das Pole Pole ein Motto und Mantra fürs ganze Leben ist. Das auf einer Safari jederzeit alles passieren kann.

«Another Kilimanjaro beer?» fragt Joyce und lacht übers ganze Gesicht. Wir nicken. Auf dem neu gekauften Tshirt von Felix steht: «Kilimanjaro. If you can’t climb it. Drink it.» Die Omen für die neunte Reise haben sich bewahrheitet: Kilimanjaro. We did climb it. Now we can drink it! Maisha marefu. Prost und langes Leben. Und bis bald!

Fünf Engel im Land des Donnerdrachens

«Willkommen im Land ohne Verkehrsampeln,» begrüsst uns Mr. Taupo, unser lokaler Reiseleiter. Wir sind aber noch immer hin und weg von der Aussicht auf all die berühmten Himalayagipfel auf dem Flug von Kathmandu nach Paro in Bhutan. Und etwas auch vom Rütteln des Airbus, als er in das enge Parotal hinein kurvte. Aber Mr. Taupo gibt nicht auf:«Willkommen im Land des Glücks!» Und endlich nicken wir und das macht auch Taupo happy.

Sunny Karma
«Welcome to Sunday and a sunny day», witzelt Taupo. Als wir morgens um sieben Uhr  aufgestanden waren, reichte der Nebel bis hinunter ins Tal und ans Hotel heran. Wir schauen zweifelnd in die Nebelsuppe und nicken höflich. Durch einen Pinien- Eichenwald und blühend rote Rhododendren wandern wir Richtung des berühmten Tigernestklosters. Dicke Nebel wabern zwischen den Bäumen und hängen an den Felsen. Doch mit jedem unserer Schritte steigt auch der Nebel. Schritt für Schritt. Und dann sehen wir es. Zwischen Nebelfetzen, am Felsen klebend, ragen die typischen bhutanesischen Tempelgebäude schwindelerregend über uns auf. Ein gut gesicherter Pfad und 776 Treppenstufen führen durch eine kleine Schlucht und vorbei an einem Wasserfall hinauf zum Kloster. Die Legende sagt, dass der Guru Rinpoche hier auf einem fliegenden (weiblichen!) Tiger angelangt sei und in einer Höhle drei Monate lang meditiert haben soll. Als wir vom Kloster ins Tal hinunter schauen, strahlt die Sonne durch die Wolken auf uns herab. Ein Windstoss fährt durch den Jacarandabaum vor uns. Und dessen lila Blütenblätter wirbeln tanzend über das leuchtend goldene Klosterdach hinweg. Sissi schaut hinauf Richtung Himmel und in die Sonne und lacht: «Wir haben halt ein sunny Karma!»

Very good Karma
Auf dem 3804 Meter hohen Chele La-Pass (die Passtafel verkündet zwar stolze 3988 Meter aber die indischen Strassenbauer haben es zu gut gemeint!) spazieren wir unter Tausenden von weissen Gebetsfahnen die Krete zwischen Paro- und Haa-Tal entlang. Weiss ist die Farbe des Todes im Buddhismus und so stehen die Fahnen als Gedenkstätte für die Verstorbenen. «Nur noch bis zum nächsten Gipfel,» rufen wir Taupo zu und wandern unter noch mehr flatternden Gebetsflaggen durch. «Good Karma,» nickt Taupo, als uns dort eine Herde grasender Yaks neugierig begrüsst und beäugt. Zurück auf dem Pass kauft Annette eine Schnur Gebetsflaggen, welche wir neben den vielen anderen im Wind wehenden Flaggen aufhängen. Anu, unser Busfahrer, will unbedingt beim Aufhängen helfen, damit auch er etwas Karma mit abbekommt. «Very good Karma jetzt,» lacht Taupo.

A little blessing
Wir schauen zu den blauen Himmelsflecken und den weissen Wolken hoch,  die sich an den schneebedeckten Gipfeln der 6000er-Berge über uns türmen. Die Berge Bhutan’s  dürfen nicht bestiegen werden. Denn dort wohnen die Götter und diese sollen nicht gestört werden. Die feinen Regentropfen die vom Götterhimmel auf unsere Köpfe fallen nennt Taupo «eine kleine Segnung». Die Segnung wirkt und so wandern wir bei Sonnenschein von der gemütlichen Lodge im Haa-Tal los. Durch einen blühenden Rhododendrenwald erreichen wir ein kleines Kloster auf einem Hügel. Wir ziehen die Schuhe aus und klettern über eine steile Holztreppe nach oben. Der Betgesang der Mönche empfängt uns. Wir setzen uns auf den Holzboden und lauschen andächtig. Als die Mönche die Trommeln rhythmisch schlagen und die archaischen Klänge der Tempeltrompeten im Halbdunkel des Raumes ertönen, fühlen wir: wir sind ganz und gar in Bhutan angelangt. Auf dem weiteren Weg treffen wir auf Bauern die ihre Reisfelder ausdünnen, einen Bauer der mit der Sichel Gras schneidet, eine Frau die am Fluss Sand siebt und eine alte Greisin die nickt, als wir fragen, ob wir ein Foto machen dürfen. Sie stellt sich in ihrer traditionellen Tracht aufrecht hin, kneift den Mund zusammen und nur ihre roten Lippen verraten, dass sie wohl schon ein Leben lang Bettelnuss kaut.

Good Karma
Wir wandern von der Passhöhe der Bergflanke entlang. Ein Wald voller grüner Flechten und Moose umgibt uns. Bhutan’s Wälder bedecken rund zwei Drittel der Fläche von 38 400 km2 des Königreichs. Rote, rosa und weisse Blüten leuchten zwischen den knorrigen Rhododendron-Baumstämmen. Das unter Felsen gelegene Kali-Frauenkloster (das kleine Tigernest) queren wir unterhalb der Gebäude auf einem engen Pfad. Taupo lacht, als er unsere fragenden Gesichter sieht. «Die Nonnen schätzen die durch das Kloster wandernden Besucher nicht besonders. Sie stören beim Beten und Lernen. So vermeiden wir schlechtes Karma. Für die Nonnen. Und für unsere Gruppe.» Wir nicken zufrieden. Und wandern voller gutem Karma zum PicNic.

Hundekarma
«Wir haben gelesen, dass Hunde heilig sind in Bhutan,» fragen wir Taupo? «Nicht richtig,» antwortet er, «alles ist heilig, Blumen, Tiere, Menschen, Flüsse, Bäume, Hunde…» Die Bhutanesen glauben, einige der Hunde könnten im nächsten Leben als Mensch wiedergeboren werden. Fortan füttern auch unsere drei Hundebesitzerinnen die vielen Hunde, die hier allgegenwärtig sind. Jeder Bezirk muss Hundespitäler unterhalten und die Hunde werden einmal im Jahr eingefangen, geimpft und kastriert. Auf der Wanderung zur Lungchuzekha Gompa folgen uns fünf Hunde ab dem Dochu La-Pass bis hoch zum Tempel auf der Hügelkuppe. Zurück kommt dann bloss noch der braune grosse Hund mit uns. Wir vermuten, dass der Tempel ein besonders gutes Karma für Hunde haben muss.

Himmlische Tage im Phobjikha Valley
Nach einem Regentag und einer abenteuerlichen Fahrt (welche Anu bettelnusskauend, langsam und sicher absolviert) hinauf ins 2900 Meter hoch gelegene Phobjikha-Tal, beziehen wir bei Regen die geräumigen, weissen (und beheizten!) Hauszelte. Wir werden von freundlichen Frauen in traditionellen Kleidern begrüsst. Das bhutanesische Abendessen schmeckt hervorragend. Nachts regnet es auf die Zeltdächer, doch wir schlafen tief und fest. Am Morgen wecken uns Sonnenschein und ein strahlend blauer Himmel. Die Rundwanderung durch das landwirtschaftlich geprägte Tal voller Kartoffeläcker ist so  spannend wie abwechslungsreich. Dass wir im kleinen Tempel mitten auf der Ebene unter Aufsicht eines Mönches sogar die Tempeltrompete blasen durften, war der Höhepunkt des Tages. Christine schafft es auf Anhieb, der Trompete die urchigen Töne zu entlocken. Mein Versuch endet im schallendem Gelächter der Gruppe und einem aufmunternden Schulterklopfen des Mönches. Wir erfahren auch wieso der Rabe das Nationaltier von Bhutan ist: Er repräsentiert einerseits eine der mächtigsten Gottheiten Bhutans, den Jarog Dongchen. Sein ewiges «Arh arh arh» tönt aber andererseits wie ein Mantra und die Krähen schicken so mit jedem Krächzen ein Gebet in die Landschaft hinaus. Etwas überrascht sind wir, als uns der Küchenchef im Valley Camp abends erklärt, er habe das Kochen online ab Videos gelernt! Wie auch immer – von uns gibt’s ein grosses Lob in die Küche. Alle Reiseteilnehmer sind sich einig. Die Hauszelte, die Gastfreundschaft und das leckere bhutanesische Essen hier sind ein weiterer Höhepunkt unserer Reise. Mega. Toll. Einmalig!

Fünf Engel und ein Tiger
Ich hatte ja das unglaubliche Vergnügen (null Ironie hier) diese Reise mit fünf wunderbaren (echt wahr) Frauen machen zu dürfen. Taupo erklärte sie bereits am zweiten Tag zu seinen fünf Engeln. Die Engel erklärten ihn dafür nach dem Besuch des Tigernests zum Tiger. Als ich Taupo einmal fragte, ob er denn auch happy sei, lachte er und antwortete: «Ja Dominik, aber am glücklichsten bin ich, wenn du weit hinten wanderst und ich die Engel für mich alleine habe!»

Das Land des Glücks
«Are you happy Dominik?» fragt mich Anu, unser Busfahrer, nachdem er mich etwas zur Seite genommen hatte. Ich nicke. Ja bin ich. Es macht Spass im Land des Glücks unterwegs zu sein. 97 Prozent der Bhutanesen sagen von sich selbst, sie seien glücklich. Ob staatlich verordnet oder nicht, die Bewohner des Landes Druk Yul, des Landes des Donnerdrachens, wie die Einheimischen ihr Land liebevoll nennen, machen einen zufriedenen Eindruck. Ein höfliches «Kususanpola» (Guten Tag) zaubert immer wieder ein Lächeln in die neugierigen Gesichter der Bhutanesen. Wir werden die Gastfreundschaft vermissen. Die bedächtige Art der Menschen. Das mit Chili gewürzte Essen. Insbesondere das Nationalgericht «Ema Datsi», die scharfen Chilischoten mit Käse. Die eingangs erwähnte Verkehrsampel stand übrigens in der Hauptstadt Thimphu. Weil sich aber niemand an das Rotlicht hielte, wurde sie kurzerhand wieder abgebaut. Jetzt regelt wie früher ein Polizist mit eleganten Handbewegungen den Verkehr. Das passt zu einem Königreich, in dem die Höchstgeschwindigkeit für alle Fahrzeuge 50 Stundenkilometer beträgt. In dem noch Götter auf den Berggipfeln wohnen. In dem Engel reisen. Es war eine himmlisch schöne, spannende Reise durch das Land des Glücks und Donnerdrachens. Kadrinchela (Danke schön), ihr Engel: Anna-Maria, Annette, Christine, Sandra und Sissi. Tashi delek Bhutan. Auf Wiedersehen.

Dominik Abt
Wanderleiter mit eidg. Fachausweis

Schnee auf dem Kilimanjaro

Juli 2018, Dominik Abt, unterwegs für aktivferien.com auf dem Trekking auf den Kilimanjaro 

„Welcome to Tanzania, rafiki“, begrüsst uns Mr. Goodluck am Gate zum Kilimanjaro und präsentiert stolz seine neue Aktivferien Mammut Goretex-Jacke. Ich freue mich riesig, dass auch er einmal mehr mit uns auf den Kilimanjaro kommt. Durch den Regenwald wandern wir hoch zur Mandarahütte. Beobachten unterwegs Blue Monkeys, Baumschliefer und Mantelaffen. Auf dem Weg hoch zu den Horombohütten nebelt, regnet und nieselt es. Erst am Abend zeigt sich uns der Kilimanjaro. Wir üben mit unseren Führern den Jambo Jambo-Song und singen den Essraum mit unseren Liedern bei Tee und Kaffee leer. Heute ist Akklimatisationstag und Gaudence führt uns mit gemächlichem Schritt hoch zum Zebrafelsen und weiter auf den Sattel auf 4300 m. Eine halbe Stunde über den Hütten hatten uns die Sonne und ein strahlend blauer Himmel empfangen. Vom Sattel aus zeigt sich der Kilimanjaro in seiner ganzen herrlichen, schneebedeckten Pracht wunderschön. Wieder unten geniessen wir Benedict’s fantastische Kochkünste. Es geht allen gut. Wir freuen uns auf den Gipfel. Goodluck und Pole Pole. Kilimanjaro wir kommen.

„Pole Pole,“ begrüssen uns Remy und die vier Guides um Mitternacht. Eingepackt wie Michelin-Männchen reihen wir uns vor der Kibohütte auf 4700 Meter auf. Ich zähle sicherheitshalber nochmals durch. Alle zwölf hier. „Twendei,“ los geht’s. Vor uns Stirnlampen, hinter uns Stirnlampen. Über uns der funkelnde Sternenhimmel. Unter uns sehen wir die Lichter eines Dorfes in Kenia. Dort liegen Menschen in ihren Betten und in ihren Träumen. Auch wir leben unseren Traum und arbeiten uns Schritt für Schritt den Berg hoch. Ein Schluck Tee. Hans Meyer Höhle. Zickzack im Geröll. Der Atem geht kürzer. Gaudence singt „Yo Mama, Yo Papa.“ Ein Schluck Coca Cola. Es ist kalt. Es ist windig. Die Felsen unter dem Gillman’s Point. „All good?“ fragt Remy. Wie viele Höhenmeter noch? Egal! Weiter. Schritt für Schritt. Erste Jauchzer von oben. Geschafft. Über dem Mawenzi geht die Sonne leuchtend blau-orange auf. sie bringt Energie und Wärme zurück. „Twendei, twendei!“ Weiter, weiter. Über eine hart gefrorene Schneedecke führt der Weg zum Gipfel. Michi und Peter machen noch ein paar Liegestützen kurz unter dem Gipfel… „Genug jetzt, twendei!“ Uhurupeak, 5895 Meter, geschafft. Überglücklich fallen wir uns in die Arme und verdrücken die Freudentränen. Gletscher und Krater grüssen rundum schneebedeckt. Weit unter uns sehen wir die Kibohütte und den Sattel. Das ist unglaublich! „Twendei,“ zurück und runter. Am Nachmittag sind wir nach 15 Stunden Wandern zurück in den Horombohütten auf 3700 Meter. Wir feiern den Gipfelerfolg mit Kuchen und ausgelassenem Singen. Als wir zurück ans Gate wandern, grüssen die Riesen-Senecien wie Gespensterbäume aus dem Nebel. Uns ist das Wetter in der Heidelandschaft egal. Wir haben den Gipfel im Herzen. Am Abend feiern wir am Trägerfest ausgelassen mit der ganzen 40-köpfigen Crew. Wir singen und tanzen. Jambo Jambo. Kilimanjaro. Hakuna matata. Badai und Kwaheri, rafiki. Bis bald und auf Wiedersehen meine Freunde. Ich freue mich aufs nächste Mal.

Alle Gäste haben den Kilimanjaro erfolgreich bestiegen. 1 Gast Gilman’s Point, 1 Gast Stella Point und 10 Gäste Uhuru Peak! Und das unter erschwerten Bedingungen, liegt doch vom Gilman’s Point hoch zum Uhuru Peak momentan eine geschlossene, hart gefrorene Schneedecke. Der jüngste Gast war 25, der älteste 68 Jahre alt. Und Sinah und Jonas standen präzise zwei Wochen nach ihrer Hochzeit in ihren Flitterwochen freudestrahlend auf dem Dach von Afrika. Herzliche Gratulation an alle Gäste. Und asante sana an Remy und sein Team am Berg. Fantastic job, rafiki!

Goodluck auch auf der Safari.
Massai John lacht übers ganze Gesicht als wir auf falschem Weg ins neue Camp einfahren. „Welcome to Kuhama Luxury Tented Camp,“ begrüsst uns Mister Juma. Die Flachdach-Akazien ragen über uns in die Höhe. Dahinter geht die Sonne unter. „Wow, mega cool,“ meint Simona. Wir sitzen um das Lagerfeuer und erzählen uns Geschichten. Zum Beispiel wie wir uns im Aufstieg zum Kilimanjaro gefühlt haben…
„Irgendwie dachte ich immer in Afrika sei es warm“, schmunzelt Peter, als wir am nächsten Morgen in unsere Daunenjacken eingemummt in den Ngorongoro-Krater hinunterfahren. Um ein in der Nacht gerissenes Gnu liegen 10 Löwinnen und ein Löwe satt und vollgefressen im Gras. Wir fotografieren sprachlos. „OK, if we rush a little, Dominik?“ fragt mich Driverguide Hemed? „Rhino?“ frage ich leise zurück. Er nickt und drückt aufs Gas. Wir erreichen die anderen Jeeps und beobachten das Spitzmaulnashorn wie es in die Steppe hinein marschiert. Die genaue Anzahl der Nashörner im Ngorongoro ist geheim. Wir sind glücklich, eines so nahe gesehen zu haben. Am nächsten gerissenen Gnu fressen sich zwei junge Löwenmännchen satt. Wir glauben es fast nicht, aber beim dritten Kill (sic!) liegen drei Löwen faul im Gras. Ohrengeier, Weissrückengeier, Hyänen und Schakale balgen sich um den Büffelkadaver. Just als wir den Krater verlassen wollen, entdecken wir einen Löwen und eine Löwin etwas abseits der Strasse. Die werden doch wohl nicht…? Doch! Ein paar sanfte Stupser, ein zärtlicher Biss, ein tiefes Grollen, eine sanfte Pranke um die Schulter der Löwin… und schon liegen beide Büsi wieder wohlig auf dem Rücken im Gras. „Ich fühle schon ein bisschen wie ein Voyeur” lacht Jonas, “aber fotografiert habe ich trotzdem.“ Im Tarangire geht die Sonne rot hinter den Wolken und Affenbrotbäumen unter. Marianne schaut von der Terrasse ins Tarangire-Flusstal runter und nickt: „Paradiesisch schön!“ Auf der Pirschfahrt am Morgen beobachten wir eine Elefantenfamilie beim Trinken am Wasserloch, die – erfolglose – Jagd zweier Löwinnen auf einen Wasserbock und… „Dort rechts neben dem Elefanten am Flussufer!“ ruft unser Jägersmann Michi, als er den Tarangirefluss spiegelt! “Gepard” fragt Simona? “Nein, der andere” ruft Michael. Wir schauen und tatsächlich läuft dort ein Leopard am Flussufer entlang. Grinsend hebt Driverguide Msiagi alle fünf Finger in die Höhe. Wer hätte das gedacht? Alle Big 5 gesehen. Unglaublich und absolut unerwartet. Goodluck. Nach dem Kilimanjaro nun auch auf der Safari. Morgen fliegen wir nach Sansibar an den Indischen Ozean. Wir haben viele wunderschöne Abenteuer zu verarbeiten. Zwei Tage Nichtstun. Darauf freuen wir uns jetzt.

Pole Pole in Sansibar
„Welcome in Sansibar. This is Dominik’s home away from home“ begrüsst uns Zaidi am Flughafen in Stonetown. Nach der Kälte des Kili und der Frische im Ngorongoro stehen wir endlich in unseren T‘Shirts in der Wärme. “Welcome to Bluebay Resort” begrüsst uns Benjamin im Bluebay Resort. Der blaue, lauwarme Indische Ozean lockt mit weissem Sandstrand zum Baden. Die aufgereihten Liegen unter den grünen Palmen mit Blick aufs Meer zum Ausruhen und Verarbeiten unserer vielen Abenteuer und Eindrücke: Markt in Marangu, Kilimanjaro, Safari, Zebras, Gnus, Giraffen, Löwen, feines Essen und jetzt noch das Meer. Es sind so viele gute und spannende Erlebnisse und Geschichten. „Jambo Jambo Mister Kilimanjaro“ grüsst Jonathan von der Bar und Joyce strahlt wie ein Marienkäfer: „A Kilimanjaro Beer, Mister Dominik,“ fragt sie und bringt die kalte Dose ohne auf mein Nicken zu warten. Ich trinke einen kühlen Schluck, schaue auf die Wellen und das Meer hinaus und denke: das haben wir uns alle redlich und von Herzen verdient. Auch hier im Bluebay: ein bisschen fühlt es sich an wie nach Hause kommen.