Sonntag, 8. November
Es sind die lachenden Gesichter. Juma (Campmanager) lacht. Frederic (Fahrer) lacht. Sogar der grosse Abdulah (Handlingmanager) grinst. Violet und Nuru (Service) lachen. Und Zawadi. «Weisst Du was mein Name bedeutet, fragt sie mich. «Nein, das weiss ich nicht.» Zawadi lacht und sagt: «Zawidi ist das Swahiliwort für Geschenk. Ich bin ein Geschenk des Himmels!» «Und ihr seid es auch!» strahlt sie uns an. Alle lachen und freuen sich uns zu sehen. Ich habe diese vielen herzlichen Lachen vermisst.
Und noch etwas hatte ich vermisst. Das Ankommen beim Reisen. Und Zeit zu haben. Auf der Terrasse des Hotels zu sitzen. Ein kühles Kilimanjarobier trinken, dem niederprasselnden Regen zu lauschen und den Regentropfen beim Zerplatzen auf den Bananenblättern zuzuschauen. Oder wie Claudia sagt: «Dort. Schau. Ein Gecko an der Wand. Jetzt bin ich so richtig in den Ferien angekommen.» «Karibuni Aktivferien,» begrüsste uns Naomi, die Hotelmanagerin, vor dem Znacht im Hotel in Marangu. «Herzlich willkommen Aktivferien.» Wir freuen uns. Wir lachen. Wir sind angekommen.
Jambo Jambo. Auf dem Dorfspaziergang und Markt in Marangu.
Montag, 9. November.
Am Morgen scheint die Sonne. Nach dem Morgenessen treffen wir uns mit unseren Bergführern zum Dorfspaziergang. Für ehemalige Aktivferien-Tanzania-Besucher folgt jetzt ein bisschen Namedropping: Mister Evarest, Goodluck, Remy, Alfred, Bryson und Livingstone stehen – ja natürlich lachend – im Garten und warten auf uns. Wir begrüssen uns mit den Ellenbogen und die strahlenden Gesichter ersetzten unsere Umarmungen. Auf dem Spaziergang durchs Dorf erfahren wir allerhand Interessantes über das Leben und die Traditionen der Chagas, so nennt sich der Stamm, nennen sich die Menschen, die hier am Fusse des Kilimanjaro leben. Zum Bespiel, dass es Essbananen, Kochbananen, Bierbananen und moderne Bananen gibt. Letztere eignet sich sowohl zum Essen, Kochen wie auch zum Bierbrauen. Oder wie das Land an die Söhne vererbt wird. Seit einigen Jahren erben auch die Töchter! Und das Frauen (oder Männer) sich verlieben dürfen in wen so wollen und nicht von den Eltern verheiratet werden. Suzanne fragt sicherheitshalber nach: «Wirklich ganz frei?» Bryson bekräftigt: «Ganz frei, sie können sich auf dem Land, in der Stadt, auf der ganzen Welt in wen sie wollen verlieben!» Die älteren Führer und Familienväter stehen im Hintergrund, lachen und nicken zustimmend. Auf dem Kilimanjaro-Farmhaus führt uns Evarest stolz durch den Bio-Gemüsegarten. Und tatsächlich: es wachsen zur Zeit viele verschiedene Gemüsearten für die Kilimanjarogäste in den kommenden Wochen.
Am Nachmittag besuchen wir den Dorfmarkt. Hier verkaufen die Frauen, die uns am Morgen mit Bananenstauden auf dem Kopf begegnet sind, ihre Bananen. Wir ziehen die Köpfe ein und marschieren zwischen den Ständen und unter den niedrigen Blechdächern durch. Ein freundliches «Jambo, Jambo» zaubert immer wieder ein Lächeln auf die ernsten und doch neugierigen Gesichter der Marktfrauen. Als die ersten Regentropfen fallen verziehen wir uns in die Bar. Und dann geht ein sintflutartiger Regenschauer auf das Wellblechdach über uns und den Markt nieder. Es bleibt uns nichts anderes übrig als mit unseren Begleitern bei einer zweiten Runde Cola und Bier auszuharren. «Also für mich stimmt’s, meint Rüedu: «ich bin in den Ferien!» So plötzlich wie der Schauer angefangen hat hört er wieder auf. Wir marschieren zurück ins Hotel. Und nachdem wir jetzt alles über Bananen wissen, servieren uns Nuru und Zamadi beim Nachtessen eine Bananensuppe als Vorspeise. Nach dem Znacht feiern wir Elisabeth‘s Geburtstag. Die Hotelangestellten tanzen und singen und servieren uns … ganz genau(!) einen Geburtstags-Bananenkuchen. Happy Birthday, Elisabeth!
Wenn der Regenwald seinem Namen Ehre macht.
Dienstag, 10. November
Der Regen prasselt sintflutartig bis morgens um vier Uhr auf die Dächer nieder. Ich stehe mit Naomi vor dem Frühstück auf der Terrasse und gemeinsam schauen wir hoch in die Wolken. «Und, wie wird das Wetter heute», frage ich. Sie zuckt mit den Schultern und lacht: „«Hakuna matata! Kein Problem!»
Wir treffen uns mit den Guides beim Gate zum Kilimanjaro . Um 9 Uhr marschieren wir los. Es ist warm im Regenwald. Und nass. Die Bäume, Farne, Moose und Blumen glänzen in kräftigen, leuchtenden Farben. Es tropft von den Blättern. «Mann, das viele Grün hier ist der Wahnsinn,» sagt Andre. Dunkelgrün. Hellgrün. Mattgrün. Tiefgrün. Nassgrün. Baumgrün. Farngrün. Moosgrün. Glanzgrün. Undundundgrün. Wenn André Recht hat, hat er recht. Nach dem Picknick fängt es an zu regnen. Wir ziehen die Regensachen über und spannen die Schirme auf. «Jetzt sind wir aber echt im Regen-Wald», stellt Elisabeth fest und lacht: «Aber auf jeden Fall besser, als zuhause im Büro oder Homeoffice zu sitzen!»
Als wir bei den Mandarahütten auf 2720 Meter ankommen marschieren zwei Blue Monkeys vor uns über die Wiese. Wir zücken die Kameras und freuen uns. Die Safari hat begonnen. Nach dem warmen Mittagessen gehen wir die Bimbis, die Baumschliffer, hinter den Hütten suchen. Drei der putzigen Tiere sitzen zusammen in einer Baumhöhle und äugen neugierig zu uns hinüber.
Auf dem Rückweg zum Gate scheint die Sonne durch das Blätterdach. Sie begleitet uns bis zurück zum Gate. Martin findet es unfair, so ein bisschen für den Kilimanjaro angefixt zu werden und dann wieder hauruck runter zu müssen. «Aber so hat man ja auch noch mögliche Ziele für die nächsten Jahre», findet er. Der Schuhputzer strahlt übers ganze Gesicht nachdem er 12 Paar Wanderschuhe blitzblank putzen durfte und die Dollarnoten in der Hand hält.
Auf der Fahrt hinunter zum Hotel blinzelt der Kilimanjaro kurz zwischen den Wolken hervor. Sein Schultern sind weit hinunter mit Schnee bedeckt. Wir trinken mit unseren Bergführern ein Bier zum Abschied und singen nochmals den Kilimanjarosong zusammen. Beim verabschieden frage ich Goodluck, was ich über den heutigen Tag schreiben soll. Er schaut mich mit lachenden Augen an und sagt: «Hakuna matata. Schreib, das wir gutes Wetter hatten!»
Als wir nach dem Nachtessen noch einen lokalen Kognaky trinken, ruft Martin zu mir herüber. «Schreib, 22.35 Uhr, draussen schiffts!»
Das Leben entlang der Strasse in Tansania und ein erstes Highlight.
Mittwoch, 11. November
Der Koch muss noch schnell den Kragen seines Faserpelzes zurechtrücken. Dann schliessen Naomi, Zawadi, Nuru, Violet und der Koch Adibadi die Augen und fangen an zu singen:
Malaika, nakupenda Malaika
Malaika, nakupenda Malaika
Ningekuoa mali we, ningekuoa dada
Nashindwa na mali sina we…
Mein Engel, ich liebe meinen Engel.
Mein Engel, ich liebe meinen Engel.
Ich würde dich heiraten, wenn ich nur reich genug wär.
Ich kann es nicht ohne Geld, doch ich würde dich heiraten.
Ich kann es nicht ohne Geld, doch ich würde dich heiraten …
Violet patzt bei der dritten Strophe und bekommt einen strafenden Blick von Naomi. Die Angestellten des Hotels in Marangu sagen uns nach dem Frühstück mit dem wunderschönen – und voller Inbrunst vorgetragenen – Lied Dankeschön und auf Wiedersehen. Wir sind gerührt. «Das ist mir jetzt echt noch nie passiert»,höre ich jemanden murmeln. «Enjema safari! Gute Reise!» ruft Zawadi und winkt.
Das Leben in Tansania findet zu einem grossen Teil entlang der Strassen statt. Und so geniessen wir die Fahrt über Land Richtung erstem Nationalpark und lassen die vorbei gleitenden Bilder draussen vor dem Fenster unseres Busses auf uns wirken. Kinder in der Schuluniform die uns auf dem Weg zur Schule zuwinken. Die unzähligen jungen Männer auf Motorrädern, die an jeder Kreuzung ihre Taxidienste anbieten. Der Töfffahrer, der in fünf farbigen 25-Liter-Kanistern auf dem Gepäckträger die Milch seiner Kühe auf den Markt fährt. «Der oberste Kanister wird ganz sicher Anken sein, bis er dort ist», lacht Dänu. Der alte Mann, der seiner kleinen Ziegenherde beim Grasen zuschaut. Die Verkehrspolizistin, die ihr Gähnen abbricht als sie unseren Bus vollbeladen mit Touristen sieht, lacht und beide Daumen in die Höhe streckt. Die Frauen die ihre Babys in einem farbigen Tuch auf dem Rücken tragen. Oder die drei Massaifrauen, die Brennholz auf dem Kopf nach Hause tragen. Ihre Silhouetten zeichnen sich wie Scherenschnitte gegen den Horizont ab. Eine Hütte ist weit und breit nirgends zu entdecken.
Wir fahren in den Tarangire-Nationalpark ein und öffnen die Dächer auf unseren Safarijeeps. Impalas. Zebramangusten. Warzenschweine. Weissrückengeier. Wasserböcke. Sattelstörche. Strausse. Dik Diks. «Zebras, dort vorne!» ruft Therese. «Giraffe, links!» ruft Vreni. Einzig der einzelne Elefantenbulle in der Ferne entpuppt sich im Feldstecher als halbdürrer Strauch. Über den mächtigen Baobab-Bäumen ziehen dunkle Regenwolken auf. «Unglaublich schön, diese Bäume und diese Stimmung,», freut sich Susanne.
In der Tarangire Safari Lodge empfängt mich Joseph an der Reception mit: «Jambo Mister Dominik, es hat paarende Löwen im Tal unten. Zeigen Sie doch diese erst einmal unseren Gästen.» Und tatsächlich! Dort liegt eine Löwin entspannt auf dem Rücken und daneben ein Löwenmännchen im Gras. Was für ein Highlight für den ersten Tag! Wir freuen uns, spiegeln und fotografieren. Obani, ein Kellner, kommt zu uns und sagt: «Dominik, wieso schaut ihr alle nur dort hinten? Dort unten liegt ein zweites Löwenpärchen etwas näher!» Unglaublich! Aber wahr. Eine zweite Löwin liegt unten im Tal und neben ihr schaut ein zweites Löwenmännchen träge in unsere Richtung. (Ja, sie taten es.) Was für ein Start. «So viele Tiere, das war der Hammer!» fasst Martin beim Nachtessen zusammen. Wir nicken. Morgen halten wir erneut nach halbverdorrten Büschen Ausschau. Denn manchmal fangen sie an sich zu bewegen und werden zu einsamen Elefantenbullen.
Elefanten und Paparazzi im Tarangire Nationalpark.
Donnerstag, 12. November:
Ich erwache um sechs Uhr morgens und lausche dem Vogelkonzert. Dann höre ich den Nachbarn schnarcheln und ärgere mich darüber. Als ich vor das Zelt trete begrüsst mich Jacob, der Gärtner. Er deutet auf sein Ohr und fragt: «Kannst Du den Löwen hören?» Aha. Das Schnarcheln kommt von einem Löwen! Jetzt bin ich hellwach. Martin kommt und berichtet, das er eines der Löwenpärchen etwas hinter unseren Bungalows gesehen hat. Und Yvonne erzählt, dass vor ihrem Zelt frische Löwenspuren auf dem Weg zu sehen sind. Und das alles bereits vor dem Frühstück. Guten Morgen Tarangire!
Wir fahren mit unseren Safariguides in den drei Jeeps los. Weit und breit sind wir das einzige Fahrzeuge in der Weite des Tatangire Nationalpark. «Elefanten!» sagt unser Guide Samuel und zeigt geradeaus. Wir entdecken Strausse. Aber keine Elefanten. Samuel grinst nur. «Dort», rufen Vreni und Therese gleichzeitig: «Elefanten!» Wow. Vor uns bewegt sich eine grosse Elefantenherde langsam durch die Savanne. Wir schauen ihnen lange zu und zählen sie etwa 10mal durch. Wir können uns nicht einigen. 57 zählt Dänu. 59 sagt Samuel. 62 zählt Ricky vom zweiten Jeep. Egal. Im Tarangire gibt es circa 4500 bis 5000 Elefanten. Wir beobachten also über 1 Prozent des Bestandes vor uns. Fantastisch.
Auf der Weiterfahrt entdeckt Rüedu die Giraffen als Erster. 12 junge und alte Giraffen fressen sich von Akazie zu Akazie. Sie tun das mit geschickter Zunge sowie voller Eleganz und Grazie. Dann finden wir unsere Freunde vom Kilimanjaro wieder: die Bimbis, die Baumschliefer. Gleich daneben, auf den runden Felsen, leben auch die Klippschliefer. Unterwegs schaffen es neu auch die Kuhantilope und der Riedbock auf unsere Artenliste. Unten am Tarangirefluss beobachten wir eine 7-köpfige Elefantenfamilie beim gemächlichen Trinken.
Auf dem Weg zurück zur Lodge und zum Mittagessen halten wir nochmals nach den sich paarenden Löwenpärchen Ausschau. Wir entdecken eines der beiden rund 50 Meter neben der Strasse. Löwin und Löwe liegen entspannt hinter einem Akazienbusch. Wir warten gespannt. Dann stupst die Löwin den Löwen an, steht auf und geht zwei, drei Schritte. Vom Löwen sehen wir nur den breiten Rücken und los geht es. Nach 20 Sekunden legt sich die Löwin wieder auf den Rücken und räkelt sich. «Das wars?» fragt Yvonne. Wir nicken. Dafür geht so über ein paar Tage, erklären unsere Guides. «Ich kipp um», sagt André und packt sein Teleobjektiv weg,«wir machen hier ja voll einen auf Paparazzi!» Wir schmunzeln, packen Kameras und Feldstecher ein und gehen Mittagessen. Jetzt haben wir einen Löwenhunger.
Wir leuen bis am späten Nachmittag vor unseren Zelten, geniessen die unbeschreibliche Aussicht von der Terrasse oder baden im Pool. Auf der Abendpirschfahrt entdecken wir Gnus und geniessen die Fahrt durch die Landschaft voller Akazien, Ebenholz- Leberwurst- und Affenbrotbäumen. Samuel, unser Safaridriver bekommt eine SMS. Er hält an, checkt die Nachricht und fragt, ob es ok ist, wenn wir umkehren und etwas schneller fahren? Wir nicken. Er wendet den Jeep, drückt aufs Gas und schon beginnt die wilde Fahrt. 20 Minuten später zeigt er in die Savanne: «Löwen!» Wow! Dort liegt eine 8-köpfige Löwenfamilie und beäugt uns schläfrig und träge. Normalerweise würde hier eine Kolonne Jeeps um den besten Platz fürs Foto kämpfen. Jetzt sind wir 4 Jeeps und haben allen Platz der Welt. Wir schauen den acht Löwen beim Gähnen, Kuscheln und Schlafen zu. «Der absolute Wahnsinn», findet Fritz.
Auf dem Rückweg liegt das Flitterwochen-Löwenpaar noch immer in den Büschen neben der Strasse. Wir gedulden uns und schauen erneut bei der Paarung zu. Der Löwe brummelt sein tiefes Liebesgrollen und schon legt sich die Löwin wieder auf den Rücken. «Jetzt hab ich’s auch gesehen,», nickt Ingrid zufrieden und steckt die Kamera weg. «Dem Löwenpärchen müssen wir auch mal ein anständiges Trinkgeld geben», lacht Dänu. Auf der Terrasse in der Lodge sitzen wir um das Feuer in der Feuerschale. Stella singt uns zum Apéro das Malaika-Lied. Wir lauschen und hängen unseren Gedanken nach. So viele spannende Erlebnisse. Was für ein herrlicher Safaritag im Tarangire Nationalpark.
PS. Während ich das schreibe – Sie vermuten es – lausche ich draussen hinter dem Zelt dem Liebesgrollen eines Löwen. Echt wahr.
Tarangire – Home of Elephants und unsere Hotelsafari.
Freitag, 13.11.2020
«Das war ganz grosses Ohrenkino», nickt Martin als wir uns beim Sonnenaufgang treffen. Er hat den Löwen in der Nacht mehrmals brüllen gehört. «Er muss direkt neben dem Zelt gewesen sein!» Wir treffen die anderen Reiseteilnehmer beim Frühstück und in dieser Nacht haben alle einen Löwen brüllen oder knurren gehört. Und bei allen war er direkt vor oder hinter dem Zelt! Eines der Löwenpärchen entdecken wir unten am Tarangire-Flussufer. Wir können die Silhouette des Männchens von Auge beobachten. Was für ein Abschied von der Lodge.
Es gibt verschiedene Arten sich gegen die wilden Tiere zu wehren. Vor allem die kleinen und lästigen Wildtiere. Mit dem Antibrumm halten wir die Moskitos fern. Mit der WC-Bürste bugsiert Johanna die Grillen aus dem Zelt. Und mit dem Fliegentätscher sorgt Fritz für weniger Tsetse-Fliegen im Jeep. So geht das. Warzenschweine, Impalas, Wasserböcke, Gnus, Dik Diks und Grant Gazellen kreuzen unsere Pirschfahrt. Von den Aussichtspunkten aus geniessen wir das Panorama auf das Flusstalk und über die vielen Bäume. Wir holpern über die Piste und finden uns plötzlich an einem kleinen Wasserloch inmitten einer Herde von Elefanten wieder. Wir sind mucksmäuschenstill. Die Elefanten trinken, eine kleiner Dumbo wälzt sich im Schlamm und wir sind einmal mehr einfach sprachlos. Wir verharren so lange dieser magische Moment dauert und nach viel Schlammspritzen ziehen die Elefanten langsam weiter. «Einfach unglaublich», schüttelt Claudia den Kopf als wir von erhöhter Warte aus auf die Elefanten herunterblicken, die sich im Schatten der Akazien gruppieren. Im Hintergrund, am Horizont ziehen drei Giraffen ihres Weges. «Mindestens 70 Elefanten», rapportiert Dänu, der die ganze Herde einmal mehr ausgezählt hat. Es scheint als wolle der Tarangire uns den Abschied schwer machen. Und vor allem seinem Namen gerecht werden, der Park nennt sich selbst «Home of Elephants, das Zuhause der Elefanten». Kurz vor dem Gate wälzen sich noch zwei Warzenschweine mit einem Ferkel im Sumpf. Der Tarangirepark gibt wirklich alles.
Wir fahren weiter an den Lake Manyara. Bei der Einfahrt in die Lodge stehen über 30 Giraffen links und rechts des Weges Spalier. Wir fahren mittendurch. Graziös wandern die Giraffen in den Palmenwald hinein. Das Wasser des Sees reicht bis zu den ersten Bungalows unserer Lodge. Es sei 50 Jahre her, dass der Wasserstand das letzte Mal so hoch war. Der Nachmittag heute ist frei. Auf der Terrasse philosophieren wir über die verschiedenen Arten von Safaris. Gestern und heute machten wir eine Jeepsafari. Morgen früh machen wir eine Fusssafari. Und jetzt machen wir gerade eine Hotelsafari. Das heisst, wir liegen am Infintiypool, schauen auf den Manyarasee hinaus, trinken ein kühles Bier (oder einen Gin Tonic) und die Zebras, Gnus, Giraffen, Impalas und Warzenschweine grasen zusammen mit den Kühen friedlich zwischen unseren Bungalows. So wird sogar der freie Nachmittag zur Safari. Zur Hotelsafari. «Einfach nur geniessen!» meint Therese.
Abends sitzen wir bei einem Glas Weisswein direkt am Ufer des Sees. Flamingos und Enten fliegen in Formation vor uns über das Wasser. Am gegenüberliegenden Ufer ragt der ostafrikanische Grabenbruch 700 Meter in die Höhe. Ein Wetterleuchten ersetzt den Sonnenuntergang. Erst als es dunkel ist kehren wir zurück zur Lodge. Geniessen das Nachtessen bei Kerzenlicht. Irgendwo in der Dunkelheit stehen die Zebras, Gnus, Gazellen und Giraffen. Fleischfresser folgen Pflanzenfressern. «Lala salama», wünscht uns der Wächter der uns zu den Bungalows bringt. «Lala salama. Gute Nacht.» wünschen wir. Draussen ist es ruhig. Keine Löwen. Nur das Rauschen der Wellen vom See begleitet uns in den Schlaf.
Samstag, 14.11.2020
Fusssafari zu einem magischen Baum und Pavianscheisse stinkt.
«Showme?» Unser Massaiguide lacht und nickt. «Mein Name ist Showme und ich bin vom Stamm der Massai.» Er begrüsst uns im rotschwarz karierten Gewand, trägt die Massai-Pneusandalen an den Füssen und hält einen Stock in der Hand. Gemeinsam wandern wir Richtung Manyara-Seeufer. Einige Flamingos und ein Afrikanischer Löffler warten auf uns. Der Wasserstand des Sees ist sehr hoch, deshalb hat es zur Zeit nur einzelne Flamingos hier. Showme navigiert uns durch den Dreck und Schlamm der feuchten Uferlandschaft. Im Hintergrund grasen Gnus, Zebras, Gazellen und Warzenschweine friedlich vor den Palmeninseln. Wir stoppen vor einem Zebrakadaver. «Vor zwei Wochen erlegten eine Löwin und ein Löwe dieses Zebra hier. Sie jagten es von unserer Lodge bis hier. Dann sprang die Löwin dem Zebra an die Kehle und zerrte es auf den Boden.» Gespannt lauschen wir als der Massai uns die Details der Löwenjagd in lebhaften Bildern erzählt.
Etwas weiter zeigt uns Showme eine Akazie, um deren Stamm Termiten einen Termitenbau errichtet haben. «Wieso haben die Termiten ausgerechnet diese Akazie ausgesucht», fragt Showme rhetorisch? «Wir wissen es nicht», antwortet er sich selber. «Aber für die Massai hatte dieser Baum einfach mehr Glück als andere Bäume und ist deshalb jetzt ein «Magic Tree», ein magischer Baum, ein heiliger Baum. Wenn die Massai Sorgen haben, wenn z. B. die Regenzeit nicht kommt, dann kommen wir hierher zu diesem Magischen Baum und beten. Wir nicken und lachen. Showme legt sich die Hand aufs Herz und fährt fort: «Es funktioniert aber nur wenn man auch wirklich daran glaubt.» Das wiederholt der Massai mehrmals voller Überzeugung und mit soviel Herzblut bis wir nur noch nicken und nicht mehr lachen. Und ganz wichtig: man muss sich bei dem heiligen Baum dann auch bedanken. Zum Beispiel mit Milch und Blut von den Kühen die dank dem herbei gebeteten Regen nicht gestorben sind. Showme wünscht uns eine gute Reise und dass wir im nächsten Frühling nochmals zurückkommen, denn er habe noch so viel mehr über das Leben und die Sitten und Gebräuche der Massai zu erzählen.
Susanne (und alle anderen Gäste auch) findet hier in der Lodge würden sie gerne noch eine Nacht länger bleiben. «Mega, das ist hier Psychohygiene total,» sagt Susanne, «diese Weite, die erfreut einfach das Auge!» «Apropos Weite», klopft Fritz mir auf die Schulter. «Fahrt dann nicht ohne uns los, weil unser Bungalow liegt dort hinten am Horizont und wir müssen noch unser Gepäck holen!»
Wir machen uns zusammen mit Fritz und Ingrid und dem Gepäck auf den Weg und fahren über das Hochland von Karatu zum Ngorongorokrater hoch. Beim Parkeingang erwartet uns eine Horde Paviane. Als wir nach den Formalitäten zum Aussichtspunkt weiterfahren, trifft der dritte Jeep etwas später ein. Der Grund, eine Teilnehmerin war beim Fotografieren der Affen in Paviankot getreten. Und der Fahrer wollte unbedingt, dass die Schuhsohle vor dem Einsteigen in das Fahrzeug fein säuberlich geputzt wird. Das in allen Jeeps vorhandene Handdesinfektionsmittel wurde kurzerhand zum Putzmittel umfunktioniert. Was die ganze Aufregung sollte, frage ich? Die Antwort des Fahrers ist kurz und bündig: Pavianscheisse stinkt!
Wir suchen den Krater von oben mit den Feldstechern ab und entdecken grosse Büffelherden, Zebras, Gnus und – fast direkt unter uns – ein einzelnes, wanderndes Spitzmaulnashorn. Im Kuhama-Camp auf dem Kraterrand sitzen wir ums Lagerfeuer und lassen uns anschliessend von der Crew mit einem leckeren Nachtessen verwöhnen. Draussen wetterleuchtet es. Das Frosch- und Zikadenkonzert klingt an und ab.
Ein leichter Regen fällt. «We call that a God‘s Blessing», lacht Richard der junge Kellner. Na dann, mit Gottes Segen: Lala salama. Gute Nacht.
Ngorongoro – «Heimatland, hat es hier viele Viecher!»
Sonntag, 15.11.2020
Am Morgen weckt uns das Vogelkonzert und über den Akazien scheint die Sonne. Nach dem Frühstück fahren wir in den 16 x 20 Kilometer grossen Krater hinunter. Gnus und Zebras kreuzen in einer langen Linie unsere Fahrt. Ein erster Schabracken Schakal trabt frech an unseren Jeeps vorbei. Die grossen Ohren der Löffelhunde verraten uns ihren Bau und so entdecken wir eine Familie mit zwei jungen Löffelhunden, die neugierig zu uns hinüber äugen. Weiter unten im grünen Schilfgras erwarten uns grasende Flusspferde, die von weitem aussehen wie grosse runde Felsen.
Wir fahren, halten an und schauen über die eindrückliche Ebene die sich vor uns ausbreitet. Dänu nimmt den Feldstecher von den Augen, schüttelt den Kopf und sagt: «Eine Wahnsinnssache ist das, hier hat es ja abnormal viele Tiere.» Zebras, Gnus, Kaffernbüffel, Grant- und Thompson-Gazellen grasen in kleinen und grösseren Herden im Krater. Da es das ganze Jahr über genügend Futter für die Tiere hat, leben diese hier stationär, müssen also nicht aus dem «kalten Ort», so nennen die Massai den Ngorongorokrater, hinauswandern. Auch die grösste Antilopenart, die Elenantilope, entdecken wir zwischen den Akazienbäumen.
Therese ist beeindruckt von der Ruhe, die herrscht, wenn wir die Motoren abstellen und uns einfach Zeit nehmen die Tiere zu beobachten. «Dort, zwei Tüpfel Hyänen auf 11 Uhr!» «Links auf 9 Uhr, was sind das jetzt schon wieder für Vögel?» Es sind die hübschen Kronenkraniche. Und gleich daneben zwei Riesentrappen. Der Magadisee hat so viel Wasser wie noch nie. Trotz des hohen Wasserstandes sichten wir den Nimmersatt, den Sattelstorch und sowohl die pinken Zwergflamingos als auch die helleren Grossen Flamingos. Und dort: Pelikane! Als Nächstes entdecken wir einen mächtigen Elefantenbullen, der einsam durch die Savanne streift. «Wahnsinn, der hat ja Weltdonners-Zähne», tönt es in breitem Berndeutsch aus dem Jeep.
Wir suchen den Lerai-Wald nach Elefanten ab, finden aber keine. Als wir aus dem Wald heraus fahren entdecken wir ein paar hundert Meter neben der Strasse drei graue Felsen. «Rhinos!» lacht unser Safaridriver Samuel und parkiert den Jeep. Wir freuen uns und zücken Kameras und Feldstecher. Und dann, als wir noch diskutieren, ob es 450 oder 700 Meter Distanz zu den drei Spitzmaulnashörnern sind, geschieht es. Es ist einer jener magischen Augenblicke, die einfach passieren und die man nicht planen kann. Zwei der drei Nashörner stehen auf. Gehen ein paar Schritte, eines legt den Kopf auf den Hintern des anderen Nashorns und … «Wow. Unglaublich. Der absolute Wahnsinn! Seht ihr gerade auch was ich sehe?!» Papa Nashorn besteigt Mama Nashorn. Wir staunen und lachen wie Kinder und versuchen den Moment festzuhalten. «Es dauert bei den Nashörnern auf jeden Fall viel länger als bei den Löwen!» stellt Vreni trocken fest, als Papa Rhino nach ein paar Minuten wieder auf allen Vieren steht. Über uns rollen die Donner und hinter uns fällt der erste Regenvorhang nieder, aber wir lassen uns nicht beeindrucken, zu intensiv sind die Erlebnisse. Normalerweise würden sich jetzt an die hundert und mehr Jeeps innert Minuten hier einfinden … Heute sind es einzig unsere drei Jeeps und zwei andere Fahrzeuge. So muss es vor 60 Jahren gewesen sein, als Grzimek 1959 «Serengeti darf nicht sterben» gedreht hat.
Nur ein paar Meter weiter halten wir die Jeeps schon wieder an und schauen einem Serval beim Jagen zu. Leichtfüssig schleicht und springt die elegante Katze in den Büschen herum. Und erbeutet direkt vor unseren Augen eine Maus. Die Fotografen unter uns nicken. Das war Spitze! Ja und wenn es läuft dann läuft‘s, auf dem Weg zum Picnic ruft Samuel: «Rhino, 11 o‘clock!» Und wir sehen gerade noch wie sich unser 5. Nashorn uns Gras legt und ein Nickerchen macht.
Am See beim Picnic beobachten wir Flusspferde mit einem Jungen. Auf der Weiterfahrt bemerkt Rüedu: «Hier waren wir schon!» Stimmt, antworte ich und argumentiere, dass ein guter Hirte seine Herde morgens und abends kontrolliere. Die Wahrheit ist, viele der Pisten sind zur Zeit einfach Land unter. Im Lerai-Wald entdecken wir dieses Mal eine mindesten 20-köpfige Herde Elefanten mit vielen Jungtieren. Der jüngste «Pfüderi» ist noch nicht ganz einen Monat alt, schätzen unsere Guides. Wir machen uns zufrieden und voller Eindrücke auf den Rückweg zum Feierabendbier. Die drei Spitzmaulnashörner sind im Wald verschwunden. Samuel bremst und deutet nach rechts. Und dort liegt er, der König der Tiere. Einsam, mächtig, direkt neben der Strasse. Er tut was er 16 Stunden am Tag macht: er schläft und würdigt uns keines Blickes. Und weil aller guten Dinge drei sind, sehen wir auf der Fahrt zum Kraterrand nach den Löwen (im Tarangire) und Nashörnern auch noch wie sich zwei Zebras paaren. Schreibst Du das auch um Blog, fragen die Gäste lachend?
Zurück im Kuhama-Camp gönnen wir uns einen Apéro und eine warme Dusche. Fleissige Hände ziehen dazu das über dem Feuer erwärmte Wasser in den 20-Liter-Kübeln über das Zelt hoch. Yvonne findet die Zelte und die Einrichtung wahnsinnig schön: Wie die Crew alles mit Liebe zubereitet, sogar das Handtuch zum Schwan faltet und (Achtung hier wird ein Geheimnis verraten) die warme Bettflasche abends um Bett – einfach unglaublich. Wir stossen beim Nachtessen mit einem Glas südafrikanischen Rotwein an. Manuela prostet: «Auf einen mega schönen Tag!» Und Dänu fügt an: «Auf dass sich die Tiere Afrikas weiterhin gut vermehren mögen!
Abenteuer in Endulen und eine Geburtstagsüberraschung auf dem Baum.
Montag, 16.11.2020
Es regnet die ganze Nacht. Es regnet beim Morgenessen. Es regnet als wir uns auf den Weg Richtung Massailand machen. Die Piste ist bei Regen eine Herausforderung und oft nicht passierbar. Ich bespreche mich mit den Fahrern und wir entscheiden uns, die Fahrt trotz Regen zu versuchen. Kurz vor dem Treffpunkt mit Kimani, unserem Massaiguide, geht die lehmige Strasse etwas hinunter. Die drei Fahrer gehen die Strecke zu Fuss rekognoszieren. Sie nicken, das geht. Die ersten beiden Jeeps kommen gut runter, der dritte rutscht in den Strassengraben. Die Fahrer beraten was zu tun ist und entscheiden ihren Kollegen mit einem andere Jeep herauszuziehen. Wir schauen uns die Sache aus sicherer Distanz an und zweifeln alle ob das gut geht. Nur Claudia glaubt – ganz wie Showme, der Masssiguide in Ndutu, es uns beigebracht hat – ganz fest daran, dass es klappt. Eine Viertelstunde später steckt auch der zweite Jeep im Dreck. Wir stehen im Regen und sind gespannt wie es weitergeht. «Mach dir keine Sorgen, Dominik», lacht Kimani, «Alles kommt gut!» Er greift zur Schaufel und fängt an vor den Rädern Dreck wegzuschaufeln. Ein Landrover mit Parkrangern kommt vorbei. Sie wenden kurzerhand ihr Fahrzeug und ziehen den zweiten Jeep aus dem Schlamassel. Mit viel Gas und im Rückwärtsgang kriecht auch der erste Jeep den Graben hoch auf sicheres Terrain. Wir applaudieren und Claudia lacht: «Seht ihr, man muss nur ganz fest daran glauben!» Auch André grinst und steckt die Kamera ein: «Mensch, das ist ja voll der Abenteuerurlaub hier.»
Wir entscheiden uns nicht weiterzufahren und die Fahrzeuge hier zu wenden. Ich frage Kimani, ob wir von hier einen kleinen Spaziergang durch die Gegend machen können? Er nickt und wir wandern im Gänsemarsch durch niedrige Akazienbüsche den Hügel hinauf. Neugierige Kinder und Hirten mit kleinen Viehherden schauen uns neugierig nach. Wir sehen wie das Strohdach eines Massai Rundhauses neu gedeckt wird. Wir diskutieren wieso die Hütten keine Fenster, keinen Abzug oder Kamin haben. Kimani beantwortet unsere Fragen mit viel Wissen und Humor. Er erklärt uns, dass die Massai in vier Gruppen mit unterschiedlichen Aufgaben eingeteilt Erden können. Die Kinder: sie müssen Kleinvieh wie Ziegen und Geissen hüten und zur Schule gehen (oder manchmal auch nicht). Die Frauen: sie bauen die Häuser, ziehen die Kinder gross und besorgen den Haushalt. Die Krieger: sie beschützen das Vieh, die Familien und die Dörfer vor möglichen Feinden, z.B. den Raubtieren. Die Ältesten: sie geben Rat, treffen Entscheide und sind für die Rechtssprechung in der Gemeinde zuständig. Wir wandern zurück zur Strasse. Auch Kimani wüsste noch 1000 Sachen über das Leben und die Kultur der Massai zu erzählen. Er winkt zum Abschied: «Kommt wieder! Das nächste Mal erzähle ich mehr!»
Wir fahren Richtung Serengeti. Der Regen hört auf und es wird wärmer. Kimani hat uns von der gemeinsamen Landnutzung (Conservation Area) der Massai mit den Wildtieren erzählt. In diesen Gebieten leben die Wildtiere und die Masssi mit ihren Herden friedlich auf dem gleichen Territorium zusammen. Und so sehen wir Zebras neben Kuhherden grasen. Sehen Giraffen am Horizont Richtung einer Massai Rinderherde ziehen. Und Gazellen und Gnus direkt neben Massaidörfern weiden.
Auch beim Ndutu-See ist die normale Strasse Land unter. Der Wasserstand so hoch wie schon lange nicht mehr. Wir fragen einen Ranger nach dem besten Weg zu unserer Lodge auf der anderen Seite des Sees. Er deutet das Tal hinauf, wir machen uns auf den Weg, kurven um Bäume herum und rütteln mit dem 4×4 über Pfützen. «Dort drüben! Löwen!» ruft Samuel, unser Fahrer unverhofft. Wir pirschen uns an und finden zwei grosse Löwinnen faul am Boden liegen. Plötzlich flüstert Vreni: «Auf dem Baum! Direkt vor uns. Dort liegt noch eine Löwin!» Und tatsächlich, auf einem Ast im Baum liegt eine dritte Löwin, und äugt zu uns herunter. Wir unterhalten uns flüsternd und freuen uns über den seltenen und wunderschönen Anblick. Dann dürfen wir sogar zuschauen wie die Löwin vom Baum herunter klettert. Was für eine tolle Begegnung. Doch halt! Die werden doch nicht etwa …? Doch! Wir halten den Atem an und beobachten wie die drei Löwinnen, eine nach der andern, den Baum hochklettern und es sich auf einem Ast bequem machen. Wir freuen uns und schütteln fassungslos die Köpfe. «Hört!» sagen die Guides, als eine der Löwinnen knurrende Laute von sich gibt: «Sie ruft ihre Jungen!» «Dort!» und ganz kurz sehen wir fünf junge Löwenbabys aus einem Dornengebüsch heraus kommen. Doch sie verstecken sich gleich wieder. «Ich habe mir immer einen Löwen auf einem Baum gewünscht und jetzt sind es drei!» lacht Susanne glücklich, als wir die Löwinnen mit ihren Jungen verlassen. «Und ich kann mir kein schöneres Geburtstagsgeschenk vorstellen!», freut sich Ingrid, die heute ihren Geburtstag feiert.
Als wir uns abends auf der Aussichtsterrasse zum Apéro treffen, geraten wir vor lauter Freude über den erlebnisreichen Tag ins Philosophieren. Hätten wir die Baumlöwen auch gesehen wenn der eine Jeep nicht von der Strasse gerutscht wäre? Was wenn? Ich weiss es nicht. Aber ich weiss, dass die verrücktesten Sachen immer dann passieren, wenn man es nicht erwartet. Besonders in der Tierwelt. Besonders auf einer Safari. Besonders an Tagen wie diesen. Als wir nach dem Znacht zu unseren Bungalows gehen, leuchten über uns die Sterne. Das erste Mal auf dieser wunderbaren Reise.
Gnu-Fusssafari und warum Geparden Tränen haben.
Dienstag , 17.11.2020
Die einen Gäste lauschen in der Nacht dem Löwengebrüll. Die anderen schlafen tief und fest wie die Löwen. Früh am Morgen brechen wir zur Fusssafari auf. Wie Gnus, in Einerkolonne, folgen wir dem Massai mit dem Speer an der Spitze, am Schluss folgt der Ranger mir dem Gewehr. Unterwegs entdecken wir Grant Gazellen, ein langohriger Kaphase rennt erschreckt davon, unten am Ndutusee stelzen Flamingos im seichten Wasser und eine Elefantenherde wandert gemächlich zur Tränke. Sam, der Naturführer, zeigt und erklärt uns unterwegs Interessantes über die Lebensräume und Tiere. «90? Neun null?» wir fragen sicherheitshalber nach. Sam nickt. «Ja, 90!» Elefanten können miteinander auch mittels Bodenwellen über eine Distanz von 90 Kilometern kommunizieren. Sender ist der Rüssel und Empfänger sind die Fusssohlen der Dickhäuter. Wir lauschen etwas ungläubig. (Zurück in der Lodge schaue ich im Internet nach und finde unter GEOlino die Distanz von 10 Kilometern. So oder so, eine beeindruckende Distanz und Art der Kommunikation!) Unten im Flusstal kann sich eine Herde Gnus nicht entscheiden in welche Richtung sie vor uns fliehen will. Nach rechts. Zurück nach links. Wieder vorwärts. Nach einigen Minuten Herumrennen bleibt die ganze Herde still stehen und starrt zu uns hinüber. Auf dem Rückweg entdecken wir Giraffen, die unsere kleine Wanderherde (Jambo Jambo, Kati und Anna. Danke fürs lesende Mitreisen!) aufmerksam beobachten. Ein mächtiger Elefantenbulle frisst sich durch die Büsche und schenkt uns keine Beachtung.
Nach dem Frühstück steigen wir in die Jeeps und fahren Richtung Serengeti. Der Horizont wird weit als die Bäume sich lichten und mächtige Wolken türmen sich darüber auf. Wir begegnen den ersten kleinen – und später grösseren – Gnuherden, die auf ihrer grossen Wanderung südwärts, Richtung Ndutu, zum Kalben ziehen. Manuela strahlt, als eine gegen zwei Kilometer lange Gnuherde durch die unendliche Weite wandert. Das wollte sie sehen, jetzt ziehen die Gnus direkt vor ihren Augen. Auf den Simba Kopjes, den Löwenfelsen, liegen – als wir vorbeifahren – keine Löwen. Aber kurz nach den Felsen deutet Claudia ins Gras und dort liegen zwei Löwenmännchen. Sie interessieren sich aber mehr für die Gazellen in der Ferne als für uns und ziehen durch das dürre Gras von dannen. Wir brettern über die Piste als Manuela auf zwei schlanke Raubkatzen zeigt. Schon reissen die Fahrer das Steuer herum und wir beobachten zwei Geparden die durch die Savanne streifen. Die Zebras beobachten die beiden Gebardenbrüder aufmerksam. Und auch eine Gnuherde schaut die beiden neugierig an und folgt ihnen sogar ein Stück weit. Die Geparden legen sich ins Gras, einer beobachtet unsere Jeeps durchs Gebüsch, der andere äugt in die Savanne vor uns. Martin strahlt: «Zwei Löwenmännchen und zwei Gepardenmännchen! Ich glaube, wir haben uns heute Abend wieder eine Flasche Rotwein verdient.»
Und weil wir heute unsere ersten Geparden gesehen haben, gibt es abends im Camp am Lagerfeuer eine Gutenachtgeschichte. Die Einheimischen erzählen sich nämlich folgende Geschichte: Ein fauler Jäger hatte beobachtet, wie gut die Geparden jagen können. Also stiehlt er einer Gepardin die Jungen, um diese, wenn sie dann gross sind, für sich bei der Jagd einzusetzen. Die Gepardenmutter kommt von der Jagd zurück und findet ihre Jungen nicht mehr. Sie fängt bitterlich an zu weinen. Sie weint und weint und weint. Ein Jäger aus dem Dorf hört die Gepardin und fragt, wieso sie denn so bitterlich weine? Die Gepardin erzählt dem braven Mann vom Diebstahl ihrer Jungen. Der Mann fragt die Dorfältesten um Rat. Alle Männer sollen suchen und sie finden den frevelnden Jäger. Dieser wird aus dem Dorf vertreiben, weil er unehrenhaft gejagt und gehandelt hat. Denn ein Jäger darf nur seine eigene Kraft und sein eigenes Können auf der Jagd einsetzen. Die Männer des Dorfes bringen die jungen Geparden zu ihrer Mutter zurück. Aber da hatte die Gepardin schon so fest geweint, dass ihr die Tränen unter den Augen fürs ganze Leben geblieben sind. Und so kam es, dass die Geparden seither schwarze Tränen unter den Augen haben.
Tausende Gnus, sieben Löwen und kein Leopard.
Mittwoch, 18.11.2020
Nachts lauschen wir alle dem Löwengebrüll draussen vor den Zelten. Beim frühen Morgenkaffee rapportiert Fritz, dass er den Löwen ganz sicher fast durch die Zeltwand hätte streicheln können. So nahe klang sein Brüllen. Mit dem Massai Longishu und den beiden Rangern Theo und Pho gehen wir auf Fusssafari. Direkt vom Camp aus, mitten in der Serengeti. Drei mächtige Kaffernbüffel beäugen unseren Gänsemarsch durch die Savanne. Theo zeigt uns den Sandpapier-Baum. Und tatsächlich, die Oberfläche der Blätter fühlen sich an wie Schmiergelpapier. «120er Qualität», scherzt Ueli. Die Massai polieren damit ihre Speere, reinigen das Geschirr und feilen mit den Blättern ihre Fingernägel, erzählt Theo weiter. Eine Herde Thompson Gazellen wandert auf uns zu, erschrickt und rennt mit wedelnden Schwänzchen davon. Longishu zeigt uns wie die Massai mit ihrem Schwert, zwei verschiedenen Hölzern und Elefantendung ein Feuer entfachen. Doch der Dung ist zu feucht, es raucht, aber Feuer gibt es keines. Wir entdecken die Fährte eines Löwen, er folgte letzte Nacht demselben Trampelpfad wie wir, Richtung unseres Camps. «Big one!» lacht Theo. Wir beobachten eine Herde Gnus auf ihrer Wanderung Richtung Süden. «Läck, das hört ja nicht mehr auf», staunt Vreni. Immer mehr Gnus strömen aus dem Wald und füllen die Wiese. Wir sind uneinig und schätzen die Herde auf 700 bis 2500 Tiere. Und immer noch traben Gnus aus dem Wald. Auf dem Marsch zurück uns Camp begegnen wir Zebras, Gazellen, Giraffen und Büffeln.
Nach dem ausgiebigen Frühstück besteigen wir die Jeeps und gehen auf Pirschfahrt. Eine riesige Herde Gnus, Tausende von Tieren stehen jetzt auf der grünen Ebene, die gestern Abend noch komplett leer war. Zwischen den Gnus stehen kleinere Zebragruppen. «Gnus soweit das Auge reicht», kommentiert Therese, als unser Blick fasziniert über die Ebene schweift. Auf der Weiterfahrt begegnen wir einem Gepard. Er liegt am Strassenrand, schaut neugierig und verzieht sich dann in die Büsche. Etwas weiter entdecken wir einen Serval mit einem Jungen im hohen Gras. Das Kleine ist total süss. Ein Jöööh-Moment. Im Seronerafluss beobachten wir Dutzende von Flusspferden und zwei Nilkrokodile. Wir folgen den Strassen kreuz und quer durch die Savanne auf der Suche nach Tieren. Und auf der Suche nach einem Leoparden. Aber ohne Erfolg. Dafür entdecken wir – als wir eine weitere Reihe Bäume absuchen – eine 7köpfige Löwenfamilie die mitten auf der Strasse liegt. Wir freuen uns am unerwarteten Anblick und beobachten wie sie faul herumleuen.
Nach dem Picnic splitten wir unsere drei Fahrzeuge und fahren einzeln verschiedene Strassen ab, immer auf der Suche nach dem Leopard. In der normalerweise von Safarijeeps gefüllten Gegend um Seronera sind wir (fast) die einzigen Fahrzeuge. Wir kontrollieren mit unseren Augen und den Feldstechern Hunderte von Akazien und Leberwurstbäumen. Erneut ohne Erfolg. Jänosodehaut! Wir erfreuen uns der Landschaft, an gähnenden Flusspferden, dem hübschen Sekretär, an den farbigen Papageien und einer Thompson Babygazelle. Als wir uns auf den Rückweg machen, begegnen wir wieder der riesigen Gnuherde, zwei Hyänen und kurz vor dem Camp einer Elefantenfamilie mit einem ganz kleinen Elefantenbaby. Die Schätzungen über das Alter des Elefantenjungen gehen von einer Stunde bis drei Wochen. Den Jöööh-Effekt löst der kleine Jumbo so oder so aus, egal wie alt er nun ist. Heute war Babytag für uns in der Serengeti.
Unser bester Späher im Jeep, Rüedu, entdeckt auf dem Rückweg noch eine kleine Leopardenschildkröte direkt neben der Piste. Sie ist ein Vertreter der Little Five. Und trägt den Leopard deshalb im Namen. Immerhin.
Martin sitzt am Lagerfeuer und bringt den Tag mal wieder auf den Punkt: «Leopard hin oder her. Im Wald brüllt ein Löwe. Vor uns zuckt ein Wetterleuchten. Und wir haben so unglaublich viele Tiere gesehen. Das ist Weltklasse!»
Leoparden-Liebesgebrüll in der Serengeti
Donnerstag , 19.11.2020
Diese Nacht hören wir den Löwen nur aus der Ferne brüllen. Dafür erklingen die spitzen Rufe von Schackalen ganz in der Nähe. Nach einem frühen Frühstück brechen wir zu unserer letzten Pirschfahrt auf. Die Serengeti breitet sich nochmals wie ein Bilderbuch vor uns aus. Hinter dem Hügel begrüsst uns die Elefantenfamilie von gestern Abend. Der Babyelefant schaut zwischen den Beinen seiner Mutter hervor neugierig zu uns hinüber. Dann setzt sich die kleine Familie in Bewegung. Der Kleine passt nicht auf, strauchelt und fällt auf den Rüssel. Sofort geht der Rüssel der Mutter zu ihm hinunter. Doch der kleine Dickhäuter steht schon wieder, den Rüssel hoch in der Luft. Wir lachen ob seiner Tollpatschigkeit. Rüedu setzt den Feldstecher ab und sagt: «Egal ob ein Tag alt oder älter, der Pfüderi ist auf jeden Fall trocken hinter den grossen Ohren.»
Wir fahren vorbei an einer kleinen Herde Leierantilpen (Topi) und einer einzelnen Kuhantilope mit einem Kalb. Vier Hyänen liegen auf unserer Strasse, eine noch mit blutverschmiertem Gesicht. Einige hundert Meter weit weg liegt ein totes Gnu, ein Schakal nagt an den Knochen, ein Trupp Geier lauert ein paar Meter entfernt und wartet ungeduldig. Wir fahren zum dritten Mal durch die wachsenden Gnuherden. Es ist fast nicht vorstellbar, in einigen Tagen oder Wochen werden hier Hunderttausende Gnus zusammen mit ihren Begleitern, den Zebras, durchwandern. Das Gras leuchtet grün, das Futter für die Herden wächst. Ein Schabrackenschakal und zwei herzige Junge sprinten vor unserem Jeep weg in sichere Entfernung. Ein kleines Thompson Gazellenkalb schaut uns mit verschmiertem Kopf und mit grossen Augen an. Weit und breit entdecken wir keine Gazellenmama oder Herde. Die Serengeti ist gross und oft auch gefährlich.
Die Fahrer geben nochmals alles. Wir fahren eine der Baumreihen mit den freistehend Bäumen, auf welche die Leoparden gerne klettern und als Aussichtswarten benutzen, ab. Hier hatten wir gestern die 7 Löwen angetroffen. Samuel hält den Jeep an und wir kontrollieren die Bäume mit dem Feldstecher. «Sauber!» meldet unser Oberspäher Rüedu. Schon wieder nichts. Ich zähle noch neun Bäume, die vor uns liegen. Dann sind die Bäume zu Ende und es hat nur noch endlose Savanne, Gras und keine Leoparden. Baum 9, 8, 7, 6 und 5 vermelden wir ebenfalls als sauber. Samuel hält den Jeep ein weiteres Mal an. Wir spiegeln den viertletzten Baum, es ist ein Leberwurstbaum mit dichtem Geäst. «Da! Zwischen den Blättern. Ein Leo!» ruft Dänu. Doch das stimmt nicht. Es sind sogar zwei Leoparden und sie klettern vor unseren Augen den Baum herunter und legen sich uns Gras. Kurz darauf hören wir Leopardenknurren aus den Büschen. «Ein Flitterwochenpärchen!» lacht Samuel, hebt die Mütze und kratzt sich zufrieden an der Glatze. Der Kreis schliesst sich. Nach den Löwen, den Nashörnern und Zebras nun die Leoparden beim Paaren. Wer hätte das erwartet! Wir sehen das Männchen nach rechts durchs Gras weglaufen, kurz danach folgt das Weibchen. Sie verstecken sich im hohen Gras und Gebüsch und fortan hören wir sie nur noch ab und zu beim sich Paaren. Wir freuen uns und machen High Five auf unsere Big Five. Ich denke an Roger M. Roger hatte sich den Leoparden auf der letzten Reise so sehr gewünscht. Aber damals hatten wir weniger Glück. Er hatte mir vor der Reise extra geschrieben und uns Glück gewünscht. Jetzt sind es gleich zwei Leoparden: Asante sana Roger, einer ist für Dich. Wir warten, beobachten und lauschen den Liebesgeräuschen. Samuel zupft mich am Ärmel und zeigt auf die Uhr. Unser Flug nach Sansibar geht in einer Stunde. Wir nicken, werfen einen letzten Blick auf das Gebüsch und geben Gas.
Was für ein Abschiedsgeschenk! Vor uns ragen die Silhouetten der Akazien- und Leberwurstbäume aus der Savanne in den wolkenbedeckten Himmel. «Hast du bemerkt, es hat nicht geregnet, die letzten zwei Tage», sagt Samuel. Ich nicke. «Bald kommt die kleine Regenzeit, ihr habt Glück gehabt!» Ich blicke nochmals über die «unendliche Ebene», hoch zu den Wolkentürmen und zurück Richtung der Baumreihe mit den Leoparden. Dann nicke ich erneut. «Oh ja rafiki (Freund), das haben wir. Und wie!»
Unsere Propellermaschine setzt auf der Gewürzinsel Sansibar sanft auf der Landebahn auf. Es ist an die 30 Grad warm, wir ziehen unsere Jacken und Hemden aus. Auf der Fahrt zum Resort staunen wir ob dem Gewusel der Menschen in den Strassen und ausserhalb der Stadt über die üppige Wüchsigkeit der Vegetation. Eine prachtvolle Gartenanlage mit blühenden Frangipani- und Feuerbäumen, Hibiscus-, und Bougainville-Sträuchern erwartet uns im Hotel. «Schon ein bisschen wärmer hier», sagt Fritz. «Eine komplett andere Welt», meint Therese. Wir checken ein, ziehen die Badehose an und stürzen uns in den Indischen Ozean. Das Wasser muss 28 Grad warm sein. Herrlich. Jetzt beginnt der Ferienteil von Aktivferien.
Sonnenaufgang auf Sansibar und ein letztes Lachen.
Sonntag, 19.11.2020
6.15 Uhr. Endlich. Am letzten Morgen auf Sansibar kann André den lang ersehnten, perfekten afrikanischen Sonnenaufgang fotografieren. Elisa lacht. Ahmet lacht. Mussa lacht. Jimmy lacht. «Good bye Mister Kilimanjaro.» ruft Jonathan, der Barmann im Bluebay-Resort. Drei Tage lang haben wir die Aussicht auf die Palmen, auf den Ozean und das sorglose Leben im Resort genossen. Haben die vielen Erinnerungen und Fotos sortiert. Haben gesonnt, gebadet, geschnorchelt und sind dem weissen Strand entlanggewandert. Haben wunderbar gegessen und kühle Drinks genossen. Auf dem Weg zum Flughafen werden wir uns noch eine Gewürzfarm und Stonetown, die Altstadt Sansibars, anschauen. «Enjema safari! Gute Reise!» winkt Joyce, die Bardame und schenkt uns ihr strahlendstes Lachen.